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Ein Leitsystem für blinde und seheingeschränkte Menschen, was ist das?

Forderung nach verbindlichen Regeln, die deutschlandweit gelten

"Diese Frage bekommen wir in unserer ehrenamtlichen Arbeit oft gestellt und vor allem –  Muss das sein? Wir sagen Ja!," berichtet André Brendle, Leiter der Fachgruppe Umwelt, Verkehr und Tourismus im Blinden- und Sehbehindertenverband Sachsen e. V.

Eine öffentliche Behörde, eine Ampel, Haltestellen, Treppenabgänge, Übergänge mit Zebrastreifen, ungesicherte Querungsstellen, können sehbehinderte oder blinde Menschen vor große Probleme stellen, wenn keine Orientierungs- und Informationsmöglichkeiten vorhanden oder nicht auffindbar sind. Leitsysteme dienen zur Orientierung, Leitung, Information und Warnung. Leitsysteme müssen taktil (tastbar) und visuell (farblich kontrastreich) gestaltet sein.

"Für blinde Menschen sind vor allen taktile Hinweise enorm wichtig, da sie sich mit dem weißen Langstock im öffentlichen Raum und in Gebäuden orientieren und leiten lassen können und müssen. Für Menschen mit einer Seheinschränkung ist auch die farbliche und kontrastreiche Gestaltung der Umwelt wichtig, um eventuellen Sturzgefahren vorbeugen zu können", beschreibt der Leiter. "Dazu gehören auch gute taktile und kontrastreich gestaltete Handläufe, Türschilder, Tastmodelle und Pläne sowie Übersichtstafeln".

Die Fachgruppe vom Blinden- und Sehbehindertenverband Sachsen e. V. fordert in ihrer ehrenamtlichen Arbeit immer wieder die Einhaltung einheitlicher Standards als anerkannter Stand der Technik in allen Landkreisen und kreisfreien Städten in Sachsen.

Dabei bezieht sich die Fachgruppe auf die aktuellen DIN-Normen DIN 18040. Teil 1 bis 3 und die DIN 32984 (Bodenindikatoren), DIN 32975 (visuelle Kontraste), DIN 32986 (taktile Schriften) und die RiLSA (Richtlinie von Lichtsignalanlagen). Diese Leitsysteme werden meistens im öffentlichen Bereich mit weißen Platten (je nach Umgebungsbelag) und einem visuellen Begleitstreifen verlegt. "Wenn so ein System erkannt und genutzt werden soll, ist es wichtig dass keine Gegenstände  wie Mülltonnen, Verkaufsaufsteller oder Fahrradständer darauf abgestellt werden", betont André Brendle. "Dies kann zu bösen Verletzungen und Stürzen führen". Grundsätzlich müssen solche Blindenleitsysteme aus Orientierungs- und Sicherheitsgründen freigehalten werden.

"Ein wichtiger Appell geht an Fahrrad- und Autofahrer: Bitte halten Sie die Blindenleitsysteme frei!", ruft der Leiter auf. "Oftmals haben wir es schon selbst erleben müssen, dass Fahrradfahrer mit hohem Tempo auf und über solche Leitsysteme gefahren sind. Dies ist eine Gefahr für alle Fußgänger.

Die Fachgruppe arbeitet mit vielen Anbietern von taktilen und visuellen Leitsystemen, mit Bauarchitekten, mit den Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Beiräten für Menschen mit Behinderungen, Arbeitskreisen, Ämtern und Einrichtungen für alle Lebensbereiche zusammen. "Dies ist ganz wichtig, um noch eine bessere und breitere Sensibilisierung für die Belange von Menschen mit einer Sinnesbeeinträchtigung zu erreichen", berichtet er weiter.

Als zentrale Forderung formulliert die Fachgruppe Umwelt, Verkehr und Tourismus: "Eine wesentliche Erleichterung unserer Arbeit wäre es, wenn die Normen nicht nur als Empfehlungen verstanden würden. Sie sollten nicht nur im Freistaat Sachsen, sondern auch in der ganzen Bundesrepublik Deutschland als Gesetzesgrundlage gelten. Wenn eine einheitliche barrierefreie Gestaltung der Infrastruktur gesetzlich verankert wäre, gäbe es ganz klare Vorgaben. Derzeitig erleben wir zu viele „Insellösungen“. Diese führen zur Verunsicherung und können zu Fehldeutungen und im schlimmsten Fall zu Unfällen und Sturzgefahren führen. Bei geplanten neuen Bauvorhaben und anstehenden Modernisierungen/Instandsetzungen, müssen vor allen die Betroffenen selbst, sowie die Beauftragten für die Menschen mit Behinderungen und die Behindertenbeiräte als Interessenvertretungen mit ihren wichtigen Hinweisen einbezogen werden."


Kontakt für Fragen und Anregungen:
Leiter der Fachgruppe Umwelt, Verkehr, Tourismus im BSVS e. V.
E-Mail: a.brendle@bsv-sachsen.de

Mann mit Langstock tastet sich am Leitsystem am Neumarkt in Zwickau

André Brendle am Neumarkt in Zwickau. Hier gibt es ein Leitsystem zur besseren Orientierung. Foto: Fachgruppe Umwelt, Verkehr und Tourismus im Blinden- und Sehbehindertenverband Sachsen e. V.