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Sie sind meine Hände …

Kati Stephan gibt Einblicke in ihr Leben, welches von Assistenten begleitet wird

Make-up auftragen, duschen, Schuhe zubinden oder einfach nur die Sonnenbrille aufsetzen, das ist für uns alltäglich, normal, ja selbstverständlich. Nicht so für Kati Stephan. Sie hat eine Muskelerkrankung und ihre eigenen Bewegungen im Rollstuhl sind minimal. Kein Grund für sie, das Leben nicht zu nehmen, wie es ist: Die adrette Frau wird von persönlichen Assistenten begleitet, versorgt und gepflegt. 24 Stunden, jeden Tag. Kati Stephan beschäftigt dazu fünf Assistenten in Vollzeit. Um das zu können, nutzt sie das Persönliche Budget. Das ist eine Geldleistung, die Menschen mit Behinderung rechtlich zu steht. Diese wird von unterschiedlichen Trägern wie dem Sozialamt oder der Pflegekasse gezahlt, damit Betroffene sich selbstbestimmt Sach- oder Dienstleistungen „einkaufen“ können.

Informationen zum Persönlichen Budget

Ich bin der Kopf

„Meine Assistenten sind meine Hände, ich bin der Kopf. Sie müssen für mich nahezu alles übernehmen und erledigen. Ich bin schneller im Aufzählen, was ich selbst nicht kann, als das, was meine Assistenten für mich tun“, beschreibt die 42-jährige Frau. „Meine Assistenten übernehmen die komplette Pflege, meinen Haushalt – aber ich sage wie –, begleiten und unterstützen mich im Ehrenamt und bei meiner Freizeit“.

Arbeitgeberin sein

Kati Stephan ist für ihr Assistententeam zur Arbeitgeberin geworden. Das ist gut so, sagt sie bestimmt. Sie könnte die Leistung auch über einen Dienstleister einkaufen, dann ist es teurer und die Assistenten nicht unbedingt frei wählbar. Und so ist sie die Chefin und kann sich selbst ihre Mitarbeiter aussuchen. Dazu hat sie Anzeigen geschaltet, Bewerbungen studiert, Fragebögen erstellt und intensive Bewerbungsgespräche geführt. „Ich habe den Kandidaten sehr viele Fragen gestellt, um abschätzen zu können, ob sie dieser Aufgabe gewachsen sind und zu mir passen. Es ist ein bisschen wie in einer kleinen Ehe. Ich bin mit meinen Assistenten alleine und brauche ihre Hilfe und Zuverlässigkeit sowie ein hohes Maß an Vertrauen, auch wenn sie eine Verschwiegenheitserklärung mit dem Arbeitsvertrag unterschreiben“, betont sie. Ihre Mannschaft besteht aus zwei Frauen und drei Männern. „In meinem Team ist beispielsweise eine Gärtnerin und ein Bauingenieur“. Sie mag diese Vielfalt und Mitarbeiter fernab vom Pflegeberuf. „Ich bevorzuge ungelernte Mitarbeiter. Der Grund ist ganz einfach. Ich machte die Erfahrung, dass mich qualifiziertes Pflegepersonal bevormunden wollte und meinte zu wissen, was für mich gut sei und was nicht. Dabei weiß ich selbst, was für mich gut ist“, berichtet Kati Stephan. Dass sie Arbeitgeberin ist, sieht sie nicht als Schwierigkeit an. Sie schreibt Dienstpläne, bezahlt nach Tarif, überweist den Lohn jeden Monat selbst. Ein Lohnbüro errechnet vorab den Lohn, Sozialabgaben werden per Lastschrift abgeführt.

Teilhaben am Leben

„Durch meine Assistenten kann ich tatsächlich ein selbstbestimmtes Leben mit Behinderung führen und es unterscheidet sich nicht mehr groß von einem anderen normalen Leben“, sagt sie weiter. „Ich kann meine Träume verwirklichen. Zum Beispiel habe ich mir eine Schlange gekauft, das habe ich aber vorher mit meinen Assistenten abgesprochen“, sagt sie augenzwinkernd.

Das war nicht immer so. Kati Stephan lebte auch im Wohnheim. Dort ist das Leben getaktet. „Zum Beispiel war mir einmal in der Woche duschen zu wenig“, erinnert sie sich zurück. „Ich war im Prinzip auf meinem Zimmer und Bastelstunden waren nun auch nicht mein Ding“. Kati Stephan geht gerne ins Kino, ins Theater, auf Reisen, kocht und töpfert – kurz: sie liebt das pralle Leben. Bevor sie sich 2005 für die persönliche Assistenz im Arbeitgebermodell entschied, probierte sie es mit einem Pflegedienst in der eigenen Wohnung aus. Dieser kam zwei Mal täglich. Nicht ausreichend für die Bedürfnisse der jungen Frau. „Der Pflegedienst hat mich um 19:30 Uhr ins Bett bringen wollen, das möchte doch keine 23-jährige Frau“, berichtet sie von damals. „Ich wollte ausgehen“.

Durch ihre Assistenten hat Kati Stephan viel mehr Möglichkeiten. „Ich kann mein Ehrenamt und meine Arbeit viel intensiver ausüben“. Kati Stephan ist stellvertretende Vorsitzende im Verband der Körperbehinderten der Stadt Dresden, engagiert sich im Fahrgastbeirat Dresden und arbeitet für wenige Stunden in der EUTB-Beratungsstelle in Dresden (ergänzende unabhängige Teilhabeberatung).

Zwischen Dienstleistung und Freundschaft

Angehörige hätten den Job nie in der Form leisten können, wie Assistenten dies bei Kati Stephan tun. Auch ein Partner nicht. „Ich erlebe in meinen Beratungen oft, dass Eltern diesen Druck und die Erwartungen nur schwer ertragen können. Zum Beispiel war eine Mutter so erleichtert, als ihr erwachsenes Kind Assistenten bekam, dass diese sagte, nun kann ich endlich beruhigt sterben“, schildert Kati Stephan von ihren Beratungen. Sie berät im Verband der Körperbehinderten der Stadt Dresden zum Thema persönliche Assistenz im Arbeitgebermodell.  

Überhaupt legt Kati Stephan Wert darauf, Arbeit und Privates zu trennen. „Meine Assistenten haben ihre Arbeitszeiten. Ich würde nicht verlangen, dass einer von ihnen länger bei mir bleibt, um beispielsweise einen Kaffee mit mir zu trinken. Ich schätze das freundschaftliche Verhältnis zu meinem Assistenten, aber es bleiben meine Mitarbeiter. Dadurch dass ich ihre Arbeit bezahle, muss ich auch nicht ewig dankbar sein“, erklärt sie. „Und überhaupt ist das ein so wertvoller und manchmal auch anstrengender Job, er muss entlohnt werden“. Deshalb bleibt ein Partner auch ein Partner. „Ein Partner kann auch mal sauer auf mich sein und dann bin ich abhängig von ihm, dass er mich im nächsten Augenblick beispielsweise auf Toilette begleitet. Das funktioniert nicht.“

Alleinsein und Stille ist für Kati Stephan schwer. Sie mochte als Kind beispielsweise keine Sommerferien, abseits vom Internat. Es fehlten ihr die Menschen um sie herum. Deshalb stört sie es auch nicht, immer von Assistenten umgeben zu sein. Gut, ganz stimmt es nicht. Sie stellt ihren Assistenten ein eigenes Zimmer, zum Rückzug und auch zum Übernachten. Denn Kati Stephan benötigt auch nachts Hilfe.

Das ist auch ein Hauptargument, welches sie oft von Menschen hört, die eine persönliche Assistenz ablehnen: „Ich könnte das nicht, immer rund um die Uhr von anderen umgeben sein“. Kati Stephan hat sich damals bewusst dafür entschieden, weil sie nur so die Möglichkeit hat, ihr Leben so zu leben, wie sie es sich wünscht. „Ich kann nur zu diesem Schritt ermutigen, auch wenn jeder selbst für sich entscheiden muss.“ In ihren Beratungen und in der Praxis zeigt sich, dass noch viel zu wenige Menschen um diese Möglichkeit der persönlichen Assistenz ab 18 Jahren wissen. Das möchte Kati Stephan ändern. „Das Leben ist viel zu kurz, jeder sollte aktiv leben können“.

Kontakt:
Verband der Körperbehinderten der Stadt Dresden e. V.
Kati Stephan
E-Mail:k.stephan@kompass-dresden.de
Informationen zum Beratungsteam

Beratungsschwerpunkte:

  • Beraterin nach Peer Counseling (Menschen mit Behinderung beraten Menschen mit Behinderung)
  • Mitglied in der Arbeitsgruppe "ÖPNV für alle"
  • Mitglied im Fahrgastbeirat Dresden
  • selbstbestimmt leben mit perönlicher Assistenz in Form des Arbeitgebermodells

Kati Stephan bietet ihre nächste Beratung am 12. März 2019 in der Zeit von 15 bis 17 Uhr an. Eine Anmeldung ist notwendig. Per E-Mail ist Kati Stephan auch außerhalb der Beratungszeiten erreichbar.

Weitere Informationen zum Thema Assistenz:

lächelnde Frau mit blonden Haaren und Brille plus kleinem Hund auf der Schulter

Kati Stephan mit Hund Lina – Die 42-Jährige mag kochen, reisen, töpfern, Tiere, Theater und Kino – eben das pralle Leben