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Christoph und Marc, Schönbach/Oberlausitz

Christoph: Wir sind eine echte Inklusions-Werkstatt.

Gesichter der Inklusion

Mein Name ist Christoph, ich arbeite für die gemeinnützige MaxDorf gGmbH in Schönbach/Oberlausitz. Wir arbeiten im Team gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen und versuchen damit eine Alternative zur Werkstatt zu bieten. 2024 habe ich angefangen. Marc war der erste Teilnehmer in unserem Team. 

Ich bin Marc. Ich war der Erste. Ich bin 27 Jahre alt.

Christoph: Unser Bereich „Arbeit im „Anderen Leistungsanbieter“ nach § 60 SGB IX“ ist also noch ein sehr junges Projekt und wir sind erstaunt, wie schnell wir wachsen und wie viele Leute in den letzten Monaten dazu gekommen sind. Wir sind dem KSV (Kommunaler Sozialverband Sachsen) untergeordnet. 

Ich bin in der DDR, als Mitarbeiterkind in Großhennersdorf im Katharinenhof aufgewachsen. 

Meine Eltern waren 40 Jahre lang in der Behindertenhilfe tätig, das ist also in unserer Familie verwurzelt. Ich war der Einzige, der etwas anderes gemacht hat. Ich bin in die Industrie gegangen und habe dort zuletzt als Messtechniker gearbeitet. Vor sechs Jahren dachte ich mir, dass es das nicht sein kann. Man sitzt den ganzen Tag nur vor dem Computer. Deshalb habe ich die sozialpädagogische Ausbildung gemacht und dann fünf Jahre in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen gearbeitet. 

Wir sind im MaxDorf ein wenig das Pendant zur Werkstatt. Was natürlich bedeutet, dass wir arbeiten müssen, weil wir die Gehälter der Teilnehmer erwirtschaften müssen. Das bleibt nicht aus, aber das können wir auch. Und wir können uns trotzdem die Freiheit nehmen zu sagen: „Heute ist Kreativtag - habt ihr Lust etwas zu bauen?“ Wir fragen nach und wollen wissen: „Was könnt ihr euch vorstellen, was wollen wir machen?“ Es ist ein Miteinander. Wir schaffen etwas gemeinsam und wir gehen auf die Wünsche ein. 

Ich kenne viele Menschen aus der klassischen Werkstatt, die jahrelang immer das Gleiche gemacht haben. Wo es dann oft hieß: „Sie können nicht mehr schaffen.“ Aber klar können sie mehr, man braucht nur Geduld und Zeit und diese Zeit können wir uns hier im MaxDorf nehmen. 

Wenn ich überlege, wie vielfältig Marc jetzt schon in der Arbeit ist. Er kann etwas zusammenmontieren, wenn man ihm das richtig zeigt. Er kann auch streichen und schleifen, das macht er ganz wunderbar. Wir sind eine echte Inklusions-Werkstatt. 

Marc: Ich bin der erste Mitarbeiter in der Inklusions-Werkstatt, ja. 

Christoph: Wir sind bestrebt, die Teilnehmer, die wollen und können, auf den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Das bedeutet, wir suchen zuerst Außenarbeitsplätze bei Firmen, die sich das vorstellen können. Dann wird dort ein Praktikum absolviert. Wenn sich anschließend alle einig sind, kann es auf den ersten Arbeitsmarkt weitergehen. Wir möchten niemanden halten, der das Zeug hat weiterzukommen.

Auf einem Außenplatz haben wir jetzt schon drei Teilnehmer. Im Krankenhaus in Bautzen arbeitet beispielsweise eine Person in der Reinigung mit.

Wir versuchen wirklich auf die Wünsche einzugehen!

Marc: Die Arbeit ist gut. Heute habe ich gestrichen. 

Christoph: Wir schleifen und streichen momentan die Stühle und Tische der Bergwirtschaft auf dem Bieleboh, einem Berg hier in der Nähe. Die Gaststätte gehört zur DORFWALDBACH Familie, die drei Projekte vereint - das Naturresort Bieleboh, den Gutshof Schirgiswalde und die Kulturfabrik Schönbach. Alle drei Projekte leben den Inklusionsgedanken.

Marc: Ich fange 8 Uhr an und arbeite bis 14.30 Uhr. 

Christoph: Wir warten früh auf alle und besprechen, ob es Probleme gibt. Wir haben verschiedene Aufgaben, beispielsweise die Bewirtschaftung der Ferienwohnungen in der Kulturfabrik. Das sind 19 Stück, mit einer Menge Betten! Wir machen die Vor- und Nachbereitung. Man muss dann schauen, welche Ferienwohnungen belegt sind und in welche die Teilnehmer reindürfen, um sie für neue Gäste vorzubereiten. Die Ferienwohnung kann man übrigens ganz einfach über booking.com buchen. 

Andere Teilnehmer sind im Gutshof und beim Bieleboh unterwegs und machen Holz, die Geländepflege oder andere Arbeiten, die anstehen. Es ist also sehr abwechslungsreich. Die Arbeiten werden immer am Morgen aufgeteilt. Wir fragen auch nach, wer Lust auf welche Arbeit hat. Es geht natürlich nicht immer, wenn alle auf das Gleiche Lust haben. Das ist halt wie überall. 

Marc: Streichen macht mir Spaß. Besonders gefallen hat mir das Bauen von Bienen-Häusern. 

Christoph: Wir haben richtig viele Häuser für Wildbienen und Nistkästen gebaut. Da hat Marc alles schön abgeschliffen. 

Marc: Die Bienen-Häuser haben wir auch gestrichen!

Christoph: Dann haben wir natürlich noch unsere Fabrikdisco für Menschen mit und ohne Handicap. Da ist Marc auch schon von Anfang an dabei.

Marc: Ich spiele Gitarre. Ich spiele Lead-Gitarre. Ich habe schon eine CD aufgenommen. Ich habe einen Lehrer. Der kommt aus Zittau.

Christoph: Wir haben auch Live Auftritte an den Disco Abenden. Bei der Disco selber ist es so, dass Marc den DJ fragt, ob er vor kann und dann begleitet er meistens ein Lied mit. Den Mut muss man auch erst einmal haben. Letztens hatten wir den Faschingsverein da, der ein richtiges Programm gezeigt hat. Dabei wurden unsere Teilnehmer alle miteinbezogen. 

Marc: Auf der Bühne habe ich mich gut gefühlt. Ich war auch ein bisschen aufgeregt. Für die nächste Disco habe ich schon ein Lied vorbereitet. 

Christoph: Der nächste Disco Abend findet am 11. September 2025 statt. Die Disco ist für alle, also für Menschen mit und ohne Handicap. Letztes Mal waren wir 280 Leute. Für die ländliche Gegend war das sehr gut. Natürlich lebt das Ganze von den freiwilligen Helfern. Als Mitarbeiter ist das auch keine Arbeitszeit, sondern Freizeit. Einer grillt, der andere macht Kasse und ein anderer steht am Pizzaofen. Es ist ein richtiges Event und macht allen riesigen Spaß!

Viele Besucher sind Menschen mit Handicap, aber auch Familien und Leute die gerne Tanzen kommen vorbei - und meistens kommen sie wieder! Das wird wirklich gut angenommen. Wir senden vorab immer per Mail und Instagram eine Erinnerung raus, und drei Wochen vor der Disco, melden sich die ersten Teilnehmer an. Es sind sogar schon mehrfach Gruppen aus Pirna angereist. Das ist schon ein echter Weg. Aber jetzt gerade im Sommer wird es noch schöner, wenn wir auch draußen was machen können, beispielsweise die Feuertonne anmachen.

Die Disco findet vier Mal im Jahr an einem Donnerstag statt und geht von 17:30 bis 21:00 Uhr. Die Werbung läuft über unseren MaxDorf - Instagram Account und Flyer. 2022 haben wir damit angefangen, damals noch relativ klein, aber die Bekanntheit ist sehr schnell gewachsen, weil es etwas Vergleichbares nicht gibt. Die Location ist auch etwas Besonderes und den Leuten scheint es zu gefallen. Unser DJ heißt Benni. Er macht auch die Moderation durch den Abend. Marc kennt ihn schon gut. Es gibt immer sehr viele Musikwünsche.

Für unseren Eventraum wurden aus alten Paletten Möbel gemacht und Tonnen zu Tischen umgebaut. Aus den Mitteln, die da waren wurde etwas geschaffen und es ist ziemlich schön geworden. Wir haben eine Bühne, eine richtige Lichtanlage und wir dürfen auch richtig laut machen. 

Marc: Ich finde die Disco gut. Ich tanze dann auch.  

Christoph: Trinkst du dann auch mal ein Bierchen?

Marc: Ja, aber ohne Alkohol! 

Christoph: Die Location ist in dem alten Fabrikgebäude der Kulturfabrik und erstreckt sich über die ganze untere Etage. Also schon richtig groß und cool. Wir arbeiten eng mit der Kulturfabrik zusammen und unterstützen uns gegenseitig!

Am Tag nach der Fabrikdisco räumen wir alle gemeinsam auf. Auch Marc. Er saugt am liebsten die Bühne!

Konzerte sind auch möglich – genügend Platz ist da. Wir haben hier im beschaulichen Schönbach keine Laufkundschaft. Es ist nicht wie in der Stadt, dass man ein Café betreibt oder etwas ähnliches. Aber für Events funktioniert es richtig gut. Zum Beispiel für die Wanderausstellung: „Gesichter der Inklusion“! ?Die Kulturfabrik sollte noch bekannter werden, das würde uns freuen! 

Prinzipiell wird unsere Arbeit im Dorf gut angenommen. Die Teilnehmer gehen auch regelmäßig in den Schönbacher Nahkauf. Das ist quasi die einzige Einkaufsmöglichkeit hier im Ort. Wir sind sehr froh, dass es das gibt. Wir kochen oft selber, dann gehen die Teilnehmer einkaufen. Sie sind mittlerweile allen bekannt und komplett integriert. Die Verkäufer haben ein gutes Gespür für den Umgang mit ihnen. 

Marc: Früher war ich in einer anderen Werkstatt. Dort gab es immer Probleme, es hat mir dort überhaupt nicht gefallen. Hier bin ich jetzt glücklich.

Christoph: Ich will die „klassische“ Werkstatt für Menschen mit Behinderung nicht verurteilen. Für viele ist sie der richtige Platz. Aber bei uns in Schönbach ist es ein entspannteres Arbeiten. Durch das kleine Team kennt man sich und kann schneller reagieren, wenn etwas schiefgeht oder es ein Problem gibt.

Wir versuchen eine Wahlmöglichkeit anzubieten und Abwechslung in die soziale Landschaft der Oberlausitz zu bringen. Wir müssen aber eben auch Geld einnehmen. Ein Stück weit werden wir vom KSV finanziert, aber alles was die Löhne der Teilnehmer betrifft, müssen wir selbst erwirtschaften. Die Zeiten sind aber schwierig, weil alles unsicher ist, besonders mit Fördergeldern kann man aktuell schwer planen. 

Um mehr Aufträge zu bekommen, machen wir mittlerweile ein bisschen Außenwerbung. Wir möchten zum Beispiel die älteren Menschen aus der Gegend ansprechen. Bei denen sind vielleicht die Gartenmöbel nicht in Ordnung, oder etwas anderes im Garten muss erledigt werden. Dafür bieten wir unsere Dienste an und machen beispielsweise auch die Außenpflege, wie Hecke Schneiden oder Rasen mähen. Handwerkliche Arbeiten bieten eine gute Abwechslung und werden von unseren Teilnehmern gerne übernommen.

Die MaxDorf gGmbH steht nicht nur für Arbeit, sondern auch für Leben, Wohnen und Lernen. Ab 2028 wollen wir deshalb auch inklusives Wohnen anbieten – also barrierefreie WGs für Menschen mit Behinderungen. Eine über Aktion Mensch geförderte Wohnschule gibt es schon!

Marc: Ich wohne in Löbau in einer WG. Am Wochenende bin ich bei meinen Eltern. In der WG gefällt es mir. Ich habe mein eigenes Zimmer. Ich habe noch andere Mitbewohner. Mit Taxi Dietrich komme ich hierher zum Arbeiten.

Christoph: Wir helfen uns gegenseitig. Aber wir fördern auch die Selbständigkeit. Wir gehen Dinge zusammen durch, es ist aber das Ziel, dass die Teilnehmer alleine klarkommen. Es soll ja für einige auch auf den ersten Arbeitsmarkt gehen. Über neue Teilnehmer, Kooperationspartner und auch Arbeitsaufträge freuen wir uns immer!

Marc: Und ich bin der Hausmeister! Ich habe hier gute Kollegen und Freunde gefunden!

Weiterführende Link:

MaxDorf gGmbH https://maxdorf-schoenbach.de/

Kulturfabrik Schönbach: https://www.kulturfabrik-schoenbach.de/

Interview geführt am: 20. März 2025

Interview veröffentlicht am: 10. Juni 2025

Christoph und Marc aus Schönbach in der Oberlausitz