Dirk Sorge, Leipzig/Chemnitz
Ich bin in Sachsen schon eine Weile im Bereich Kultur und Soziokultur aktiv. Ich war bei einigen Projekten vom Landesverband Soziokultur Sachsen dabei und beim Industriemuseum Chemnitz tätig. Jetzt aktuell arbeite ich im Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz (smac). Dort bin ich für die Inklusion im Haus zuständig. Deshalb bin ich in allen Abteilungen involviert. Ich habe sozusagen eine Querschnittsaufgabe, was ich sehr gut und sinnvoll finde. Mein Schwerpunkt liegt dabei auf den neu geplanten Ausstellungen. Ich habe aber auch langfristige Aufgaben, wie z.B. das Thema Audioguide oder die Vernetzung mit lokalen Vereinen und Organisationen. Ich komme aus Berlin und habe dort in vielen Museen gearbeitet, bevor ich in Sachsen gelandet bin. Meistens habe ich als freier Mitarbeiter Führungen durchgeführt. Ich berate auch Museen und andere Kultureinrichtungen. Ursprünglich habe ich bildende Kunst und Philosophie in Berlin studiert.
Ich habe von Geburt an eine Sehbehinderung. Ich kenne es quasi nicht anders. Ich bin auf eine Regelschule gegangen. Der Förderbedarf wäre zwar da gewesen, aber ich habe es ohne besondere Förderung durchgezogen. Und ich bin auch ganz zufrieden mit der Entscheidung. Im Grunde bin ich schon während des Studiums mit Museen in Kontakt gekommen. Und habe dabei gemerkt, dass sich gerade einiges ändert. Vor rund zehn Jahren habe ich gemerkt, dass Museen und andere Kultureinrichtungen beginnen, sich dem Thema zu widmen. Damals war auch viel Beratungsbedarf da. Über den Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenverein (ABSV) bin ich in diese beratende Tätigkeit gekommen. Denn dort hat man gemerkt, dass sich viele Museen öffnen und ändern wollen, aber nicht wissen wie sie es anfangen sollen. Und seit knapp zehn Jahren bin ich nun dabei, Kultureinrichtungen auf diesem Weg zu begleiten.
Ich würde schon denken, dass die UN-BRK Einfluss auf diese Entwicklung hatte. Aber sicher nicht so direkt, wie sich das manche vorstellen. Aber ich denke schon, dass das Thema dadurch etwas populärer wurde. Denn es ist kein Zufall, dass es vor 10 Jahren noch mal so einen kleinen Impuls gab.
Natürlich haben manche Einrichtungen dann auch gemerkt, wie schwierig das Thema Inklusion ist, wenn man es ernst meint. Z.B. dass es nicht nur darum geht, einen Aufzug einzubauen oder die Schrift größer zu drucken.
Mittlerweile merke ich jetzt tatsächlich, dass die Kultureinrichtungen anfangen, das Thema nicht nur auf das Publikum zu beziehen. Sondern es wird begonnen, auch das Personal einzubinden, damit es inklusiver und diverser wird. Zudem wird das Thema Inklusion auch im Programm selbst langsam aufgegriffen. Das heißt, diese 3 Ps „Publikum“, „Personal“ „Programm“ werden bearbeitet. Lange Zeit ging es wirklich nur um das Publikum. Mir ist in den letzten paar Jahren positiv aufgefallen, dass die Museen sich bemühen und merken: Okay, es ist viel Arbeit, aber es gibt auch Erfolgserlebnisse und das macht Mut. Das ist mein Gefühl.
Ich bin zwar noch mit einem Fuß in Berlin. Aber aus privaten Gründen hat es mich nach Leipzig gezogen. Von Leipzig ist das smac in Chemnitz auch nicht so weit. Deshalb konnte ich sowohl in Leipzig als auch in Chemnitz Kontakte aufbauen. So bin ich sehr viel am Pendeln.
Das smac ist schon seit ein paar Jahren sehr gut in Sachen Barrierefreiheit und wird immer wieder als „Leuchtturm“ genannt. Natürlich ist auch bei uns nicht alles perfekt, das wissen wir. Aber es wurde sehr viel umgesetzt und ganz konkret an Barrierefreiheits-Maßnahmen in der Dauerausstellung gearbeitet. Das smac ist zum Beispiel eines der ganz wenigen Häuser, die ein taktiles Bodenleitsystem haben und die in der Dauerausstellung Tastmodelle für alle präsentieren. Zudem hat das smac einen Medienguide in Gebärdensprache und einen Audioguide in Leichter Sprache. Es wurden also sehr viele konkrete Maßnahmen umgesetzt. Das hängt auch damit zusammen, dass Inklusion im Haus als wichtige Aufgabe akzeptiert wurde. Man will es nicht nur nach außen hin zeigen, sondern auch wirklich intern leben. Es ist im Alltagsgeschäft immer wieder zu merken und wird auch betont. Z.B. bin ich von Anfang an dabei, wenn neue Ausstellungen geplant werden, um schon bei der Auswahl der Gestaltungs-Firmen ein Auge darauf zu haben. Da geht es z.B. auch darum zu schauen, welche Gestaltungsfirma schon Erfahrungen zum Thema Barrierefreiheit vorweisen kann oder in den vorgeschlagenen Konzepten berücksichtigt. Damit kann dann schon eine Vorauswahl getroffen werden.
Wir sind in dem Sinne ein sehr junges Haus, wir sind ja quasi erst sechs Jahre alt. Deshalb war es auch etwas einfacher manche Maßnahmen umzusetzen, als bei Häusern die schon sehr lange bestehen. Aber auch wir mussten nach der Eröffnung noch sehr viel nachrüsten. Bei uns war nicht alles von Anfang an so wie es jetzt ist. Z.B. hatten wir nicht von Anfang an die Tastmodelle eingeplant, die wurden nachträglich installiert. Das war ein Prozess, der durch das Feedback von den Behinderten-Verbänden vor Ort initialisiert wurde. Tatsächlich kamen konkrete Wünsche und Ideen, die wir teilweise umgesetzt haben.
Die Idee der Standards ist es, dass jede Ausstellung, die im smac gezeigt wird, den Maßgaben zur Barrierefreiheit folgt.
Ich persönlich habe keine explizite Entscheidungsgewalt, denn wir sind immer ein Team und entscheiden zusammen. Es gibt viele Komponenten in einem Team, wenn eine neue Ausstellung geplant wird. Die KuratorInnen recherchieren die Inhalte, die Bildungsabteilung macht sich über die Vermittlungsprogramme Gedanken, die externe Gestaltungs-Firma setzt die gestalterische und bauliche Konzeption um, und ich gebe in allen Bereichen meine Ideen, Anmerkungen und Vorschläge dazu. Ich versuche dabei, die existierenden Standards zu betonen, damit diese eingehalten werden. Darüber hinaus versuche ich, andere Maßnahmen zu etablieren und im Haus neue Standards zu setzen, so dass z.B. immer klar ist, dass wir eine bestimmte Schriftgröße haben wollen oder dass beim Bauen ganz bestimmte Höhen und Abstände eingehalten werden müssen. Es sollen sozusagen konkrete messbare Standards etabliert werden. Damit man nicht immer wieder bei Null anfängt, wenn man eine neue Ausstellung plant. Aber es ist genauso wichtig auf der inhaltlichen Ebene zu gucken, welche Perspektiven noch fehlen.
Jetzt z.B. haben wir die neue Ausstellung zum Thema Stadt. Es ist zu überlegen, welche Perspektiven auf die Stadt müssen noch berücksichtigt werden, welche fehlen noch. Das Thema Inklusion sollte sich auch inhaltlich widerspiegeln. Es ist uns sehr wichtig, dass das Thema auch auf der programmatischen, inhaltlichen Ebene berücksichtigt wird.
Im Bereich Archäologie ist es eher schwer, Inhalte zum Thema Behinderung zu erzählen, weil es oftmals nicht überliefert wurde. Aber gerade bei dem Thema Stadt ist es natürlich super wichtig Behinderung und Inklusion zu beachten. Da geht es auch um städtebauliche Entscheidungen, die getroffen werden und darum, welche Gruppen in der Stadt sichtbar werden.
Die Idee der Standards ist es, dass jede Ausstellung, die im smac gezeigt wird, den Maßgaben zur Barrierefreiheit folgt. Ein paar Standards sind einfach, dafür gibt es auch DIN-Vorschriften. Z.B. sind die Mindestabstände zwischen baulichen Elementen festgelegt. Das sind quasi die einfachsten Standards. Aber auch die werden natürlich nicht immer eingehalten. Dann gibt es natürlich andere Vorgaben, wie z.B. dass es ein Bodenleitsystem geben sollte. Es ist kein Muss-Kriterium, wir wollen es aber intern als eines festlegen. So soll es bei uns immer ein taktiles Bodenleitsystem geben, auch in Sonderausstellungen. Dann stellt sich noch die Frage, welche Zugänge wir zu den Inhalten geben wollen. Welche Sinne sprechen wir an, welche Informationsmenge bieten wir an, was für Vorwissen wird vorausgesetzt. Das sind ganz wichtige Fragen. Dafür kann man keine festen Standards festlegen, aber man kann sich vornehmen, dass man diese Fragen immer wieder stellt.
Es ist definitiv nicht einfach, allen Anforderungen bzw. Formen von Behinderung gerecht zu werden. Deshalb versuchen wir, Schritt-für-Schritt alle unsere MitarbeiterInnen diesbezüglich zu schulen.
Ich habe die Aufgabe, alle Gruppen zu vertreten, obwohl ich selbst nur eine Perspektive kenne. Aber durch die Arbeit habe ich natürlich die Erfahrungen gesammelt, um zu wissen was die einzelnen Bedürfnisse sind. Wir wollen aber trotzdem eventuell noch eine Art Beratergremium ins Leben rufen. Wir haben auch schon Kontakt zu verschiedenen ExpertInnen in Chemnitz. Für die Zukunft haben wir uns vorgenommen, noch stärker diese ExpertInnen mit einzubeziehen.
Es ist definitiv nicht einfach, allen Anforderungen bzw. Formen von Behinderung gerecht zu werden. Deshalb versuchen wir, Schritt-für-Schritt alle unsere MitarbeiterInnen diesbezüglich zu schulen. Wir hatten letztes Jahr z.B. Workshops zu den Themen Leichte Sprache und Antidiskriminierung. Diese Workshops gingen jeweils einen ganzen Tag und es waren fast alle Abteilungen vom smac vertreten. Für dieses Jahr hatten wir einen Einführungsworkshop zum Thema Gebärdensprache geplant. Damit z.B. das Kassenpersonal und die Aufsichten ein paar Grundlagen lernen. Das ist aufgrund von Corona leider ausgefallen. Wir hoffen, dass wir das noch in diesem Jahr nachholen können.
Am Ende darf Inklusion nicht an einer Person hängen. Ich bin zwar als Hauptansprechpartner da, aber natürlich kann ich nicht alles machen. Ich bin ja auch nicht immer präsent. Deshalb müssen alle aus dem Team ein paar Grundlagen kennen.
Das Interesse im Haus ist da, die KollegInnen nehmen sich den ganzen Tag Zeit dafür – auch die Direktorin. Natürlich steht auch immer ein bisschen die Frage im Raum: Brauchen wir das denn jetzt wirklich? Oder auch: Was bringt uns das konkret? Aber das Feedback war hinterher immer positiv. Von daher wird es auch immer wieder diesbezüglich neue Formate geben.
Bei dem Leichte Sprache Workshop ist z.B. ganz klar geworden, das wir ein gemischtes Team sind. Nicht alle von uns sind ArchäologInnen. Deshalb kennen auch nicht alle von uns alle Fachbegriffe. Deshalb ist es super wichtig, dass auch alle möglichen Perspektiven mitgedacht werden. Vor allem wenn es um Sprache geht. Man kann nicht voraussetzen, dass bestimmte Sachen klar sind. Weil das Vorwissen so verschieden ist und weil die Sprachkenntnisse so verschieden sind.
Wir hatten im letzten Jahr einen Fachtag im Haus, bei dem verschiedene Museen bei uns zu Gast waren und über ihre Konzepte gesprochen haben. Wir haben ganz offen unsere Konzepte vorgestellt. Auf dieser Ebene kooperieren wir mit anderen Häusern. Wir haben z.B. auch engen Kontakt zum Deutschen Hygiene-Museum Dresden, die auch schon lange vor uns ein wichtiger Vorreiter in Sachen Barrierefreiheit waren. Es gibt ein sehr gut funktionierendes Netzwerk unter den Museen, in dem ein reger Austausch stattfindet, auch über Sachen, die vielleicht nicht so gut geklappt haben.
Barrierefreiheit und Inklusion sind natürlich auch immer eine Ressourcen-Frage. Wie viel Gelder bekommt man zur Verfügung gestellt. Manche Sachen kann man natürlich über Anträge finanzieren. Dafür muss aber trotzdem erst einmal Zeit sein. Bei kleinen Häusern fehlt oftmals auch das Personal, denn dort arbeiten nur eine Handvoll Leute, die dann alles machen. Da ist die die Museumspädagogin auch die Kuratorin und gleichzeitig noch für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Dann ist es natürlich sehr schwierig, dass diese Person sich auch noch um das Thema Inklusion kümmert. Vor allem wenn sie auch noch kein Vorwissen oder Erfahrung damit hat. An dieser Stelle ist es natürlich schwer so etwas umzusetzen, ohne die richtigen Ressourcen zu haben.
Von der Servicestelle Inklusion im Kulturbereich vom Landesverband Soziokultur, werden deshalb Workshops angeboten. Dort gibt es seit diesem Jahr auch ein Pilotprojekt, in dem soziokulturelle Einrichtungen in Sachen Inklusion beraten werden. Das sind dann keine Museen, sondern eben soziokulturelle Einrichtungen. Das wäre vielleicht auch übertragbar auf kleinere Museen. Es ist ein Projekt, was wirklich konkret vor Ort fragt, welche Bedürfnisse es gibt. Was wurde schon durchgeführt und was ist realistisch in mittelfristiger Zeit umzusetzen. Durch Corona ist dieses Projekt natürlich ein bisschen eingefroren, aber die Beratung geht online weiter.
Dokumentationen über Menschen mit Behinderung sind immer noch so aufgezogen wie vor 20 Jahren. Ein Reporterteam begleitet einen blinden Menschen in seinem Alltag und ist dann ganz überrascht, dass der Blinde alleine auf der Straße laufen kann.
Privat betrachtet denke ich, dass im Bereich Inklusion noch sehr viel zu tun ist. Ich lebe natürlich auch in meiner Blase. Meine beruflichen und privaten Kontakte sind einfach sehr in dem Thema drin. Aber wenn ich mir z.B. anschaue, wie die meisten Medien berichten, dann ist dort Inklusion immer noch ein totales Neuland. Dokumentationen über Menschen mit Behinderung sind immer noch so aufgezogen wie vor 20 Jahren. Ein Reporterteam begleitet einen blinden Menschen in seinem Alltag und ist dann ganz überrascht, dass der Blinde alleine auf der Straße laufen kann. Oder auch diese Formulierung wie irgendjemand ist „an den Rollstuhl gefesselt“ oder „lebt in völliger Dunkelheit“ sind immer noch verbreitet. Da habe ich das Gefühl, dass im Mainstream das Thema Inklusion noch nicht angekommen ist. Das Thema Behinderung wird immer noch sehr seltsam und exotisch behandelt. Aber eigentlich beschreibt Inklusion ja den Prozess, dass Behinderung normal wird. Dass man sozusagen keine besonderen spektakulären Dokumentationen bringen muss, weil es einfach normal wird, dass Menschen ohne Behinderung und Menschen mit Behinderung Kontakt haben. Und dann wäre es kein erwähnenswertes Ereignis, dass eine blinde Person alleine auf die Straße geht.
Auch in meinem Alltag ist es nicht immer normal, wie mit mir umgegangen wird. Ich weiß nicht ob es daran liegt, dass viele Menschen so selten Kontakt zu Menschen mit einer Behinderung haben. Manche gehen sehr souverän damit um. Aber bei manchen merke ich, dass es für sie das erste Mal ist, dass sie einen Menschen mit einem Blindenstock erleben.
Z.B. auf dem Bahnhof, wenn Menschen ihre Koffer auf dem Bodenleitsystem stehen lassen, an dem ich mich ja orientieren muss. Ich habe zwar einen Sehrest und könnte ausweichen, aber teilweise bleibe ich dann aus Protest vor dem Koffer stehen und warte was passiert. Ich warte darauf, dass die Person den Koffer wegräumt. Dort merkt man dann schon, dass oft Unverständnis da ist. Die Leute wissen gar nicht, wofür die Rillen auf dem Boden gedacht sind. Vielleicht sollten manche Dokumentationen eher darüber berichten, wozu diese Rillen auf dem Boden gut sind, anstatt ein Einzelschicksal eines Blinden in den Mittelpunkt zu stellen. Oder man sollte sowas in der Schule lernen, so wie man dort auch Teile der Straßenverkehrsordnung lernt.
Ich erlebe es auch, dass mich teilweise einfach fremde Leute ansprechen und fragen, wie viel ich noch sehe. Menschen, die mich gar nicht kennen, sprechen mich da an. Ich finde so etwas ziemlich übergriffig. Das zeigt ganz deutlich, dass manche Leute denken, dass Menschen mit Behinderung sozial unter ihnen stehen und sie trauen sich deshalb solche Fragen zu stellen. Die Menschen mit Behinderung kann man halt einfach so fragen. Auf einer Ebene wie man z.B. auch mit Kindern spricht.
Es ist ein Teufelskreis, wenn man als Mensch mit Behinderung eine „Seltenheit“ ist und deshalb vielleicht auch angesprochen wird, dann traut man sich am Ende gar nicht mehr raus und so erscheinen noch weniger Menschen mit Behinderung im alltäglichen Umfeld. Ich habe lange Zeit mit mir gerungen, den Blindenstock zu benutzen. Ich bin zwar schon immer sehbehindert, habe mich aber erst 2007 offiziell mit Blindenstock geoutet. Das war eine Überwindung für mich. Weil es einfach einen Stigma ist. Weil eben viele nicht wissen, dass es eine riesige Bandbreite gibt zwischen blind und Sehbehinderung. Es ist dann eine Überwindung, gerade für junge Leute, so etwas wie einen Blindenstock zu benutzen.
Es ist ein sehr deutsches Problem, dass man denkt ein Architekt, der vor 200 Jahren ein Haus entworfen hat, hat mehr Rechte als die Person, die jetzt lebt und ins Gebäude rein will.
Im smac ist es nicht so, dass unbedingt viel mehr Menschen mit einer Behinderung ins Museum kommen. Wir haben auch keine Statistiken dafür. Zahlenmäßig ist es so, dass es sich nicht wirklich lohnt. Aber das ist auch nicht der Anspruch. Das wussten wir schon vorher, dass es sich finanziell nicht in der Anzahl der BesucherInnen auszahlt. Das ist uns klar. Aber es ist ein Menschenrecht, dass Menschen kommen können, die eine Beeinträchtigung haben.
In älteren Häusern ist vor allen Dingen das Thema Denkmalschutz eine riesige Hürde. Das wird aber auch gerne als Alibi vorgeschoben. Es ist ein sehr deutsches Problem, dass man denkt ein Architekt, der vor 200 Jahren ein Haus entworfen hat, hat mehr Rechte als die Person, die jetzt lebt und ins Gebäude rein will. Das würden andere Kulturen sicherlich ein wenig lockerer sehen. Wenn man kreativ ist, kann man in Sachen Denkmalschutz sicher einige Sachen machen, an die man im ersten Moment nicht denkt. Das wiederum wäre auch eine Marktlücke für Firmen, die sich diesbezüglich clevere Lösungen einfallen lassen. Aber so denkt man halt nicht. Man denkt es geht nicht und dann ist das Thema beendet.
Prinzipiell ist es ein Problem, dass das Thema Inklusion und Barrierefreiheit in vielen Institutionen eher an Einzelpersonen hängt. Es ist in den Institution nicht so verankert wie z.B. der Brandschutz. Prinzipiell sehe ich aber schon, dass es vorwärts geht. Die Gesellschaft ist schon sensibler geworden. Man muss natürlich schauen wie Corona die Entwicklung bremst. Ich hoffe, dass bei Einsparungen der Rotstift nicht genau beim Thema Inklusion angesetzt wird. Davor habe ich ein bisschen Angst.
Interview geführt am: 06.05.2020
Interview veröffetlicht am: 17.07.2020