Herr Rieck und Herr Gutknecht, Jahnsdorf
Mein Name ist Markus Rieck. Ich bin Betriebsleiter und Prokurist der ZLT Brandschutz und Lüftungstechnik GmbH und Prokurist der STK Technik GmbH, die auch in Jahnsdorf beheimatet ist.
Hier in Jahnsdorf sind wir im Jahr 2013 angekommen. Davor war die ZLT in Oelsnitz im Erzgebirge beheimatet. Dort liegen auch die Wurzeln von Herrn Dirk Neubert, der die ZLT im Jahr 1996 gegründet hat. Der Umzug nach Jahnsdorf hat uns viele Möglichkeiten eröffnet. Durch unser Wachstum und die Gruppenzugehörigkeit zur Aereco seit 2012, gab es einen großen Schub in den Produktionsmengen. Die Aereco ist vom Vertrieb her sehr gut aufgestellt, und bringt uns daher ein großes Auftragsvolumen mit.
Es stehen viele Dinge an, die auch für Menschen mit Handicaps sehr gut geeignet sind. Dort haben wir unsere Inklusionsabteilung installiert.
Wir haben in der Fertigung verschiedene Bereiche. Es gibt den Brandschutzbereich, die Vorfertigung, den Sonderbereich Wasserstrahl-Schneiden für verschiedene Dämmstoffe und Isolierungsmaterialien, sowie die Montagebereiche. Ein weiterer Bereich, den wir jetzt neu organisiert haben und in dem wir Filter- und Zubehörteile montieren, nimmt ebenfalls eine sehr gute Entwicklung. Die Montagevorgänge sind dort überschaubar und leicht erlernbar. Es stehen viele Dinge an, die auch für Menschen mit Handicaps sehr gut geeignet sind. Dort haben wir unsere Inklusionsabteilung installiert. Geleitet wird der Bereich von Herrn Schubert, der inzwischen 10 Mitarbeiter hat.
Die Abteilung gibt es seit dem Jahreswechsel 2018/2019. Im letzten Jahr haben wir die Vorarbeiten in der Raumgestaltung ausgeführt. Wir hatten vom Vorbesitzer ein Hallenschiff übernommen, was jedoch im damaligen Zustand völlig ungeeignet war. Dort haben wir zunächst eine Trennwand eingezogen und den Fußboden beschichtet, damit wir keine Staubbelastung mehr haben. Wir haben passende Beleuchtung installiert, eine entsprechende Hallenheizung und Fenster für den Blickkontakt nach außen eingebaut. Dann haben wir nach Arbeitsschutzrichtlinien und Arbeitsstättenrichtlinien die Arbeitsplätze eingerichtet. Die Plätze sind ausgerüstet mit höhenverstellbaren Tischen und entsprechender Bestuhlung, denn die meisten Tätigkeiten dort werden im Sitzen ausgeführt. Es war sehr schön zu sehen, dass wir hier so einen Bereich entwickeln können, der eine richtige eigene Abteilung in der Firma darstellt.
Die Idee und Initiative für diese Inklusionsabteilung kam von Herrn Gutknecht. Ihn inspirierte die Diakonie in Glauchau, die schon seit einigen Jahren unser Zulieferer ist. Dort werden nach unseren Vorgaben durch Menschen mit Handicap Teile für uns montiert. Die Zusammenarbeit mit der Diakonie hat eigentlich schon immer viel Freude gemacht. Ich bin zwar selten, aber gerne dort zu Besuch. Ich freue mich, die Menschen dort zu sehen und bin begeistert, was sie leisten und auf den Weg bringen. Wir haben außerdem Kontakt zur Lebenshilfe in Stollberg. Und eigentlich haben wir dort den ersten Mitarbeiter auf einen Außenplatz gesetzt. Aber dazu kann Herr Gutknecht mehr berichten, weil es seine Idee war, dies zu tun.
Wir sehen hier auch gelebte Inklusion als Teamleistung, die nicht an einer einzelnen Person hängt.
Herr Gutknecht: Es war letztes Jahr absehbar, dass wir mit der Filter- und Kleinteilmontage enorme Steigerungen haben würden. Unser Job ist es ja auch insbesondere, die richtigen Jobs mit den richtigen Menschen zu verknüpfen. Da spielt das Handicap erstmal keine Rolle. Dann hatten wir mit dem KSV, mit dem IFD, mit dem Arbeitsamt und mit dem Jobcenter, die sich hier gut vernetzen, die Idee: „… sagt mal, was wäre, wenn wir hier die Arbeiten zusammenziehen? Bekommen wir dann ein gemeinsames Team?“ Wir sehen hier auch gelebte Inklusion als Teamleistung, die nicht an einer einzelnen Person hängt. Denn wenn Herr Rieck nicht mitzieht, kann ich machen, was ich will – es wird nicht funktionieren! Wenn ich aber nicht die Ideen liefere, wird es auch nicht laufen. Und wenn Herr Schubert im Alltag die Inklusion nicht lebt, wird es auch nicht laufen.
Die Idee stand letztes Jahr und dann haben wir uns gefragt, wie es eigentlich gestaltet werden muss. Wir haben technische Beratung vom KSV durch Frau Stöckmann bekommen. Sie hat uns erklärt, worauf wir achten müssen, damit wir nicht in die falsche Richtung laufen. Dann haben wir die Idee und den Bereich immer weiterentwickelt. Vor einem Jahr bestand der Bereich nur aus zwei Personen, und dann sind wir gewachsen. Wir haben überlegt, wie wir das hochqualifizierte Personal von Arbeiten entlasten können, die nicht so kompliziert sind, und die auch Menschen mit einem geistigen Handicap machen können. So wollten wir für alle eine Win-win-Situation schaffen.
Daher ging und geht es uns primär nicht um eine eventuelle Förderung seitens des KSV, des Arbeitsamtes oder des Jobcenters. Von dort könnte man uns gar nicht so viel Geld geben, dass wir jemanden nur wegen der Förderung einstellen würden. Es ist nämlich so: wir haben einen Job und diesen wollen wir mit einem Menschen verknüpfen, der diesen Job langfristig ausführen kann und möchte. Nur dann wird es langfristig, auch nach dem Ende einer eventuellen Förderung, ein Erfolg werden. Und wenn der Job und der Mensch am Anfang Ecken und Kanten hat, und ich etwas ausgleichen muss, dann setzen wir die Unterstützung des KSV, des Arbeitsamtes oder des Jobcenters dafür ein. Wenn es uns gelingt diese Verknüpfung zwischen Mensch und Job herzustellen, und dann haben letztendlich alle ein sorgenfreies Leben. Für mich ist es eine positive Erfahrung, zu hören, dass ein Mensch mit Handicap, der vor gut einem Jahr für einfachste Arbeiten aus der Werkstatt zunächst auf einem Außenarbeitsplatz zu uns gekommen ist, jetzt eine Woche Urlaub hatte und der Bereichsleiter sagt, dass er fehlt. Das sagt mir, dass der Mann genau an der richtigen Stelle ist, weil er gebraucht wird. Wenn er nicht da ist, entsteht eine Lücke, und das ist für mich das Zeichen, dass es funktioniert.
Wir sind ein mittelständisches Unternehmen und müssen natürlich wirtschaftlich arbeiten. Daher betrachten wir das Thema der Inklusionsabteilung und der Menschen mit Handicap auch aus einer wirtschaftlichen Perspektive.
Herr Rieck: Grundsätzlich funktioniert es. Wir sind ein mittelständisches Unternehmen und müssen natürlich wirtschaftlich arbeiten. Daher betrachten wir das Thema der Inklusionsabteilung und der Menschen mit Handicap auch aus einer wirtschaftlichen Perspektive. Wir machen das nicht, um unsere Abgabe zu vermeiden. Die Leute arbeiten hier mit einer akzeptablen Taktzahl, und das ist eine gute Situation.
Herr Gutknecht: Ein Beispiel: Herr Rieck hat einen Gebrauchsmusterschutz auf ein Einbaugehäuseteil entwickelt, das im Moment auch ein Arbeitsbringer ist. Davon haben wir die erste Serie á 2000 Stück in der Bestellung. An jedem dieser 2000 Einbaugehäuse müssen vier Hinterwandhalterungen befestigt werden; wir brauchen also 8000 Befestigungen. Wir müssen dafür 8000 kleinste Metallteile stanzen und diese 8000 kanten. Wir würden das an einem Tag lernen, und am zweiten Tag weglaufen. Aber Herr Lindner wird bei dieser Arbeit glücklich. Er ist der richtige Mensch dafür.
Bei der ZLT haben ca. 10 % der Mitarbeiter ein Handicap. Unsere Aufgabe im Management ist es, dafür zu sorgen, dass das Unternehmen funktioniert, und das tut es. Wir schaffen die Voraussetzungen dafür, dass ein Mensch mit Handicap das Geld, das er hier bekommt, auch durch seine eigene Arbeit erwirtschaftet. Ich glaube, dass es auch vielen Menschen emotional gut tut, zu wissen, dass sie wertvoll sind.
Abschließend würde ich mir folgendes wünschen: Dass der Begriff „Schwerbehinderung“ aus dem Gesetz gestrichen wird. Der Begriff stört mich enorm, weil er etwas suggeriert, das nicht da ist.
Über die ZLT: Mit der ZLT machen wir ca. 8,5 Millionen € Umsatz, und mit der STK ca. 1 Millionen €. Und wir wachsen noch immer. Unser Hauptfeld ist der Wohnungsbau, wobei unsere Produkte innerhalb Deutschlands insbesondere von der Aereco GmbH (Hofheim-Wallau bei Frankfurt) vertrieben werden. Wir haben auch einen kleinen Exportanteil, und über die Firmengruppe Aereco exportieren wir ins europäische Ausland (Irland, Ungarn, Österreich, Schweiz). Einiges geht auch nach Russland. Mit der STK sind wir stark im Projektgeschäft. Rauchschutzdruckanlangen für Treppenhäuser sind sehr sicherheitsrelevante Einrichtungen, die wir teilweise unter der Eigenmarke Ventimax vertreiben. Diese gehen dann über andere Kunden auch an den Markt. In dem Bereich haben wir deutschland- und europaweite Referenzen. Die bekannteste ist BER Berlin, in Dresden sind es zum Beispiel die Altmarktgalerie und der Elbepark, also viele bekannte Objekte. Allerdings ist das der kleinere Teil. Der größere Teil sind Entlüftungsanlagen im Geschosswohnungsbau, der bekannterweise in Deutschland boomt. In allen Großstädten ist die Wohnungsnot groß. Es werden überall Appartementhäuser und Studentenwohnheime gebaut, und dort haben wir mit der Aereco Gruppe die passenden Produkte. Das ist eine sehr effiziente Lüftung, die die Kosten für die Immobilieninvestoren gering hält und nahezu aufwandslos betrieben werden kann, da wir auf Filter und ähnliche Techniken komplett verzichten können.
Webseite der ZLT Lüftungs- und Brandschutztechnik GmbH: https://www.zlt.de/
Interview geführt am: 19.03.2019
Interview veröffentlicht am: 11.06.2019