Thomas Naumann, Dresden
Mein Name ist Thomas Naumann. Ich bin 41 Jahre alt, verheiratet und habe zwei Kinder. Im Auftrag der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Sachsen habe ich eine sogenannte KB-Stelle, in deren Rahmen ich für das barrierefreie Bauen zuständig bin. KB heißt Koordinierung und Beratungsstelle zum barrierefreien Bauen. Die Stelle wurde geschaffen, um Beratungen u. a. für Privatpersonen bezüglich der Barrierefreiheit anzubieten. Man nimmt hierbei auch zu gewissen Bauvorhaben Stellung, um zu klären ob das tatsächlich dem entspricht, was Menschen mit einer Behinderung brauchen. Des Weiteren gibt es seit eineinhalb Jahren eine Richtlinie des Freistaates zur Wohnraumanpassung. Da werden Fördergelder von der SAB ausgewiesen, mit denen individuell Wohnraum behindertengerecht angepasst werden kann. Es gibt Fördermittel bis zu 8.000 Euro bzw. 20.000 Euro für Rollstuhlfahrer.
Die Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Sachsen hatte sich um die Stelle beworben und ist nun dazu angehalten, an dem Prozess der Förderung teilzuhaben. Wir müssen einschätzen, ob eine Notwendigkeit vorliegt und ob die Umbaumaßnahme zu der Mobilitätseinschränkung passt. Dafür gibt es drei Stellen in Sachsen, die vom Freistaat gefördert werden. Wir sind für Dresden und Ostsachsen zuständig und damit für die Landkreise Bautzen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Meißen und Görlitz.
Ich selbst habe eine Muskeldystrophie, weshalb ich größtenteils den Rollstuhl auf weiteren Wegen und auf Arbeit nutze. Mein Auto ist nicht speziell angepasst. Es hat eine Automatik-Schaltung. Das reicht zu. Ich habe ein Ladesystem, um den Rollstuhl ein- und auszuladen. Außerdem nutze ich viel den ÖPNV. In der Stadt funktioniert das relativ gut.
Ich hatte außerdem noch eine Herztransplantation vor jetzt fast 17 Jahren. Diese Erfahrung ist natürlich nicht ganz unwichtig, um andere Leute einschätzen zu können, die mit verschiedenen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Von daher passe ich ganz gut auf die Stelle, die ich begleite. Ich habe wenn man so will auch eine Mehrfachbehinderung. Wegen der Herztransplantation nehme ich Medikamente, die ein paar Nebenwirkungen haben. Die Nebenwirkungen halten sich aber in Grenzen.
Es wird gedanklich immer noch separiert: Diese und Jene. Da fehlt noch ein Schritt. In allen Bereichen der Gesellschaft.
Wichtig ist die Sensibilisierung für das Thema Inklusion. Man trifft Leute, die Integration betrieben haben, sich heute Inklusion auf die Fahnen schreiben und selbst immer noch Hürden im Kopf überwinden müssen. Es wird gedanklich immer noch separiert: Diese und Jene. Da fehlt noch ein Schritt. In allen Bereichen der Gesellschaft. Aber es ist schon viel passiert im Umgang miteinander. Der Respekt ist da, es fehlt jedoch noch eine Stufe, die erreicht werden muss.
Es stagniert immer wieder. Es gibt Menschen, die sich kümmern und alle anderen verlassen sich darauf: „Es wird ja gemacht.“ Diejenigen, die machen lassen, sind aber auch in ihrem „Weltbild“ gefangen wie sie Inklusion verstehen. Es müssen sich alle immer weiterentwickeln, auch ich. Das geht immer etappenweise. In der Schulbildung und auf dem Arbeitsmarkt müssen sich Dinge grundlegend ändern, um sie tatsächlich inklusiv zu gestalten.
Ein Beispiel ist unser Schulsystem, in dem klassischerweise immer separiert wird. So kann Inklusion nicht wirklich funktionieren. Inklusion kommt zwar inzwischen gerade bei „klassischen Behinderungen“ wie Gehbehinderung, mit Rollstuhl, öfter zur Geltung. Auch auf Sinneseinschränkungen wie Blindheit und Taubheit wird teilweise besser eingegangen. Aber bei Mehrfachbehinderungen oder bei Autismus ist oftmals Schluss mit uneingeschränktem Lernen. Es gibt jedoch beim Down-Syndrom beispielsweise eine riesige Spannweite, was die Kinder können oder nicht können. Auf diese Spanne wird sehr oft nicht eingegangen und die meisten Kinder bleiben hängen, selbst wenn die Eltern sehr engagiert sind.
Interview geführt am: 05.02.2019
Interview veröffentlicht am: 29.04.2019