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10 Jahre UN-BRK in Sachsen

Die Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Sachsen e. V. zieht Bilanz

10 Jahre UN-Behindertenrechtskonvention(UN-BRK) in Deutschland und somit auch in Sachsen. Was ist geschafft? Wo klemmt es? Was brauchen wir für die Zukunft? Die Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Sachsen e. V. (LAG SH Sachsen) als ehrenamtlicher Lobbyist für Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung zieht Bilanz.

Gesetzliche Umsetzung der UN-Konvention
„In Sachsen warten wir Betroffenen seit Jahren auf die Reform des völlig veralteten Sächsischen Integrationsgesetzes“, erklärt Immo Stamm, Vorsitzender der LAG SH Sachsen. „Ein Entwurf für ein Sächsisches Teilhabe- und Inklusionsgesetz auf der Basis der UN-BRK liegt bisher nur vom Behindertenbeauftragten des Freistaats  vor. Der im Koalitionsvertrag 2014 bis 2019 angekündigte Entwurf der Staatsregierung fehlt nach wie vor. Damit ist die praktische Umsetzung der Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention in der Landes- und Kommunalpolitik mit dem Ziel, die selbstbestimmte Teilhabe und Inklusion behinderter und chronisch kranker Menschen in allen gesellschaftlichen Bereichen in der erforderlichen Breite und Vielfalt zu gewährleisten, bisher nicht gesichert. Ob das neue Gesetz vor den Landtagswahlen in Sachsen noch kommt, wissen wir nicht.“ 

 „Den Grund für die zögerliche Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sehen wir vor allem darin, dass die Aufgabe im Bund, in den Ländern und in den Kommunen nicht als Gesamtaufgabe betrachtet wird, sondern als Aufgabe der Sozialpolitik“, so Immo Stamm.

Barrierefreiheit
Der Freistaat Sachsen kann eine Reihe von Förderprogrammen zum Abbau von Barrieren im privaten als auch öffentlichen Raum vorweisen. „Sorgen machen wir uns aber um die steigenden Mieten. Barrierefreien Wohnraum gibt es, aber bezahlbarer Wohnraum, gerade für Menschen mit Beeinträchtigung oder Senioren, ist knapp oder gar nicht mehr verfügbar. Hier wünschen wir uns Lösungen für alle Bürger Sachsens“, sagt der LAG SH-Vorsitzende weiter. Weniger Barrieren fordert der Vorstand der LAG SH Sachsen ebenso beim Zugang zur medizinischen Versorgung. Immer noch sind viele Arztpraxen nicht zugänglich für Patienten mit Behinderung. Das gleiche Problem sieht der Vorstand in der Privatwirtschaft. „Kommen Sie mit Rollstuhl, Rollator oder Kinderwagen durch ein Drehkreuz im Supermarkt?“, fragt Immo Stamm provokativ.

Sprachliche Barrieren treffen vor allem Gehörlose und Menschen mit Lernschwierigkeiten. „Ich würde mir endlich Formulare von sächsischen Ämtern oder im Krankhaus in Leichter Sprache wünschen. Die Deutsche Gebärdensprache wird zwar mehr und mehr berücksichtigt, zum Beispiel bei Führungen in Museen, aber im täglichen Leben noch viel zu wenig“, erläutert der Vorsitzende der LAG SH Sachsen.  

Arbeit und Behinderung
Während die Arbeitslosenzahlen in Sachsen sinken, bleibt die Zahl der arbeitslosen Menschen mit Schwerbehinderung nahezu gleich. Im Freistaat Sachsen gibt es Förderprogramme für Ausbilder und Arbeitgeber, die Anreize schaffen. „Dennoch fordern wir andere Sanktionen für Arbeitgeber. Viele Arbeitgeber kaufen sich frei, um das Einstellen von Menschen mit Schwerbehinderung zu umgehen. Wir regen bei der Einstellung von schwerbehinderten Arbeitnehmern einen dauerhaften und steuerfinanzierten Lohnzuschuss an“, sagt Immo Stamm. „Darüber hinaus können wir Arbeitgeber nur ermutigen, das Potenzial von Menschen mit Beeinträchtigung zu nutzen.“

Bildung und Behinderung
Inklusion kann nur gelingen, wenn Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung von Anfang an gemeinsam spielen und lernen. In der schulischen Inklusion macht es den Anschein, dass die Lehrinnen und Lehrer allein gelassen werden. Die LAG SH Sachsen fordert hier neue Wege, denn Selektion, Wettbewerb und Leistung widersprechen dem Inklusionsgedanken.

Ehrenamt und Selbsthilfe
Die LAG SH Sachsen definiert ihre Aktivitäten als „Inklusion von unten“. Mit unserem Projekt „Inklusionsnetzwerk Sachsen 2.0“ organisieren wir einen branchenübergreifenden Austausch zwischen Inklusionsgestaltern als auch Betroffenen. Weiter möchten wir das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger in Sachsen durch unsere Kampagne „Gesichter der Inklusion“ stärken. Das ist eine Fotoreportage von Menschen, die auf ihre Art und Weise Inklusion in Sachsen voranbringen. www.inklusionsnetzwerk-sachsen.de

Die Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Sachsen e. V. ist weiterhin bereit, sich bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention einzubringen, und bietet allen Partnern wie auch dem Freistaat Sachsen ehrenamtliche Unterstützung an. „Erleichternd für unsere ehrenamtliche Arbeit wäre wieder eine dauerhafte institutionelle Förderung seitens des Freistaates. Denn trotz unserer ehrenamtlichen Arbeit muss beispielsweise Miete oder neue Computertechnik bezahlt werden“, betont abschließend der Vorstand der LAG SH Sachsen.

Zur umfangreichen Bilanz:
https://www.selbsthilfenetzwerk-sachsen.de/index.php?menuid=445&reporeid=3399#