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Bildung mit und aus einer anderen Perspektive

„QuaBIS Dresden“ – Qualifizierung von Bildungs- und Inklusionsreferenten

 „Es meint alle“, sagt Pierre Zinke gerade heraus. Aufrufzeichen! Er beschreibt, was für ihn Inklusion ist. „Das auch wirklich alle mitmachen können, egal, welcher Menschentyp einer ist, denn alle sind gleich“, ergänzt Belma Bilir. Ihnen glaube ich es. Es ist authentisch. Oder würden Sie jemand ohne Behinderung ernst nehmen, der Ihnen beschreibt, wie es ist, im Rollstuhl zu sein oder schwere Sprache nicht zu verstehen? Oft reden wir über Menschen mit Behinderung, statt sie selbst zu Wort kommen zu lassen.

Das Projekt „QuaBIS“ wird dies ändern. Belma Bilir, Pierre Zinke, Clemens Ziegner, Sophia Liebich, Thomas Gasch und Mara Finke werden an der Technischen Universität Dresden (TU Dresden) zu Bildungs- und Inklusionsreferent*innen qualifiziert, um zukünftig die Lehrerausbildung an der TU Dresden zu bereichern.

 


QuaBIS - Qualifizierung von Bildungs- und Inklusionsreferent*innen in Sachsen:
Ist ein Projekt der TU Dresden und der Uni Leipzig, um Menschen mit Behinderung zu Bildungs- und Inklusionsreferent*innen zu qualifizieren und ihnen eine Chance zu geben, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Anschluss arbeiten zu können. Die Schwerpunkte der Bildungsreferenten sind die Themen Inklusion, Exklusion, Teilhabe und Partizipation.

Gefördert wird das Projekt durch das Ministerium für Wissenschaft und Kunst des Freistaat Sachsen.

www.quabis.info
www.facebook.com/quabis


Die zukünftigen Bildungsreferent*innen wirken auf mich mutig und wissenshungrig. Sie haben einen großen Schritt gewagt. Vorher waren sie vorwiegend in verschiedenen Behindertenwerkstätten tätig und haben diesen doch geschützten Raum für einen Außenarbeitsplatz an der TU Dresden verlassen. Damit tragen sie bei, der Bildungslandschaft der TU Dresden eine neue Perspektive zu geben und vielleicht festgefahrene Stereotypen ins Wanken zu bringen. Die angehenden Bildungsreferent*innen sind Teil der Hochschule, ein Novum ohne Abitur.

 

Einbindung in die Lehrerausbildung

Durch die Qualifizierungsmaßnahme „QuaBIS“ werden die Teilnehmenden befähigt, zukünftige Lehrer*innen, Fach- und Führungskräfte und Lehrveranstaltungen u. a. zu den Themen Behinderung, Inklusion, Teilhabe und Partizipation durchzuführen. Zudem beraten und begleiten sie aktiv Forschende bei Projekten. Sie sind die Experten*innen in eigener Sache und geben ihr Wissen und ihre Erfahrung aus ihrer Sicht weiter. Die Qualifizierung der Bildungsreferenten*innen umfasst drei Jahre in Vollzeit und findet an der TU Dresden und mit sechs weiteren Teilnehmenden an der Universität Leipzig (Uni Leipzig) statt.

Für die Teilnehmenden ist eine ungewöhnliche Chance: „Es ist für mich eine Qualifizierung, um auf den ersten Arbeitsmarkt zu kommen“, erklärt mir Clemens Ziegner und seine Kollegin Sophia Liebich stimmt ihm zu: „Ich mache gerne bei dem Projekt mit und kämpfe darum, um später das machen zu können, was ich möchte und die Möglichkeit zu haben, auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu kommen.“

 

Einblicke in die Qualifizierung

Die zukünftigen Bildungs- und Inklusionsreferenten zeigen mir ihren Wochenplan, ihre Arbeitsplätze und ihren Gruppenraum, der sich in der August-Bebel-Straße 30 in der 7. Etage befindet. Sie sind stolz auf das, was sie tun. „Für mich ist jeder Tag schön hier“, sagt mir Pierre Zinke. Sein Kollege Thomas Gasch fügt hinzu: „Ich habe das Gefühl, es ist Interesse an Inklusion da und die Studenten und Professoren geben uns positive Rückmeldung.“ Mara Fink ist genauso begeistert: „Ich freue mich etwas zu tun und bin dabei gerne in Bewegung“

Sie führen Lerntagebuch, bearbeiten Aufgaben in Gruppen, in Eigenregie, besuchen Lehrveranstaltungen und veranstalten gemeinsam mit den anderen Inklusionsreferent*innen selbst Seminare im Bereich der Bildungswissenschaften der TU Dresden, nehmen an Workshops teil oder bedingt durch Corona auch im Homeoffice. Ihre Qualifizierung orientiert an einem eigenen Modulhandbuch und Curriculum. Dieser besteht statt aus Fächern aus verschiedenen Modulen. Die Lerninhalte umfassen unter anderen die Bereiche Bildung/Erziehung, Ethik, Soziologie, Methode/Bildungsarbeit und Forschung. Auf die Frage wie es sich anfühle, andere zu unterrichten, antwortet mir Pierre Zinke: „Ich bin immer aufgeregt, aber die Aufregung an sich macht ja auch Spaß. Es ist noch nichts Alltägliches. Bisher habe ich mit meinen Kollegen Seminare gehalten.“ Thomas Gasch berichtet: „Bisher habe ich vor einer Seminargruppe von Studenten unterrichtet, nicht in großen Hörsälen und die Studenten waren mir gegenüber aufgeschlossen und verziehen auch Makel.“ Belma Bilir hat andere Erfahrungen gesammelt: „Ich hielt zusammen mit den anderen ein eigenes Seminar zum Thema Inklusion. Ich konnte aus meiner Sicht erzählen. Das war einfach aus meinem Leben zu berichten.“ Die TU Dresden war bis September 2020 aufgrund der Corona-Pandemie im Notbetrieb. In dieser Zeit gab es nur wenig Präsenzveranstaltungen, bei denen die Bildungs- und Inklusionsreferent*innen eigene Seminare veranstalten könnten. Selbst ihr eigener Lernplan in Präsenz ist zeitlich gekürzt worden. Dafür empfinden sie ihn jetzt als sehr intensiv.  

 

Arbeiten mit Modulen

Momentan beschäftigen sich die sechs Bildungs- und Inklusionsreferent*innen mit dem Modul Ethik, in dem sie aktuell über Formen von Diskriminierung sprechen und sich deshalb auch mit Rassismus auseinandersetzen. „Ich kann vorab den besten Plan gemacht haben, wie ich das Seminar halten werde. Oft passiert es, dass ich ihn über Bord werfe und wir gemeinsam neu denken und aushandeln, wie wir das Thema angehen,“ berichtet Karin Mannewitz, Qualifizierungsleitung vom Projekt und eine Ansprechpartnerin für die angehenden Bildungs- und Inklusionsreferenten in Dresden.„Es gibt kein generelles Rezept, keine allgemeingültige Standardsituation für die Qualifizierung die für alle passt, es gibt aber immer eine Planung. Wir lernen jeden Tag voneinander und miteinander. Wissen wird miteinander verkoppelt, da wir sehr unterschiedliche Menschen und Typen sind und wir nutzen kooperierende Lernformen. Diese Erfahrung ist für die Teilnehmenden zum Teil ungewohnt, denn bisher wurde Mitbestimmung und die Umsetzung eigener Ideen eher selten im Berufsalltag und im Leben der Teilnehmenden abgefordert.“

Im Mai 2019 ist die Qualifizierungsmaßnahme an der TU Dresden gestartet und inzwischen war schon Bergfest für die angehenden Bildungs- und Inklusionsreferent*innen. Die Idee, insbesondere Menschen mit Lernbehinderung eine andere berufliche Chance zu geben, wie das Projekt „QuaBIS“ dies tun möchte, ist nicht ganz neu, dennoch irgendwie einmalig. Dafür ist das Projekt jetzt ausgezeichnet worden.  

 

Gewinner beim Innovationspreis Weiterbildung Sachsen

Das Projekt „QuaBIS“ in Dresden und Leipzig ist mit dem Sächsischen Innovationspreis 2020 des Freistaates Sachsen geehrt worden: Mit dem 1. Platz! Das ist eine Bestätigung und große Anerkennung für die beiden Teams. Die Auszeichnung nehmen sie am 7. Oktober 2020 in Görlitz persönlich in Empfang.


Einladung an Interessierte

Einige Wünsche geben mir die angehenden Bildungs- und Inklusionsreferent*innen noch mit auf den Weg, nachdem ich gute zwei Stunden zu Gast sein durfte: „Das jeder gerne Kontakt zu uns aufnehmen kann, um zu sehen, was wir hier lernen“, sagt Pierre Zinke. Und sein Kollege Thomas Gasch: „Wir brauchen noch mehr Fortschritte in Bezug auf Inklusion. Ein bisschen mehr noch als jetzt. Damit es zukünftig für Menschen mit Behinderung noch mehr berufliche Beschäftigung geben kann.“

Kontakt:
QuaBIS - Inklusionsorientierte Hochschulentwicklung: Qualifizierung von Bildungs- und Inklusionsreferent*innen in Sachsen
E-Mail: quabis@mailbox.tu-dresden.de
Telefon: 0351 463 32642

Danke für die herzlichen und interessanten Gespräche!
 

 

Menschen sitzen im Halbkreis auf einen Stuhl und blicken in die Kamera, sitzende Perspektiv

Im Gruppenraum werden gemeinsam Lerninhalte erarbeitet – ideenreich und anders. v. li. n.r: Clemens Ziegner, Mara Finke, Thomas Gasch, Pierre Zinke, Sophia Liebich, Belma Bilir Foto: Christine Jeglinsky