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Teilhabe an, in und durch moderne Medien schaffen

Die Arbeit vom Landesfilmdienst Sachsen e. V.

Es gibt Barrieren, wie Stufen oder schwere Türen, die wir kennen und mit denen wir tagtäglich umgehen. Dann meckern wir, weil wir sie nicht oder nur mühsam überwinden können oder suchen andere Wege.  Dann gibt es Barrieren, die wir nicht sofort begreifen. Barrieren, die wir erst beim zweiten Betrachten als solche einstufen. Dazu gehört ein fehlender Zugang zu modernen Medien.

Projekt Telling Stories – Geschichten erzählen

Luise Jahn und Christoph Marx vom Landesfilmdienst Sachsen e. V. möchten dies ändern. Mit dem Projekt „Telling Stories – Geschichten erzählen“ vermitteln sie den Umgang mit modernen Medien, speziell für Menschen mit Behinderung. Das tun sie auf verschiedenen Wegen – direkt oder über Multiplikatoren. Das Ziel dabei: Menschen mit Behinderung sollen an, in und durch Medien teilhaben können. Gefördert wird das Projekt vom Freistaat Sachsen und der Aktion Mensch.

Heute sind die beiden Medienpädagogen aus Überzeugung erneut auf Anfrage vom Landesschulamt Leipzig in deren Räume gekommen, um die zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer für Förderschulen zu unterrichten. Ihre Fortbildung „Neue Medien an der Förderschule“ ist eine Ganztagsveranstaltung, bei der sie Theorie und Praxis weitergeben.  „Wir wollen unsere Expertise, unsere Erfahrungen und unser Wissen weitergeben und vor allem Mut machen, die neuen Medien im Unterricht zu nutzen“, erklärt Christoph Marx. „Wir wollen den angehenden Sonderpädagogen zeigen, wie fruchtbar dieser Einsatz von modernen Medien im Schulunterricht sein kann.“

Digitale Kluft schließen

Doch zu Beginn verdeutlicht Christoph Marx: „Nicht alle Jugendlichen haben ein Smartphone, besonders Jugendliche mit geistiger Behinderung und nicht alle haben Zugang zum Internet. Oder denken wir weiter, stellen sie sich einen Senior vor. Er reist gerne und kann dies auch körperlich, aber er ist nicht in der Lage ein Onlineticket zu buchen. Wir müssen solche Menschen befähigen und die digitale Kluft schließen.“

Ungefähr 20 Referendarinnen und Referendare nehmen an dieser Fortbildung vom Landesfilmdienst Sachsen e. V. teil. Sie erfahren, wie sie zukünftig neue Medien wie Apps, iPad und E-Book nutzen können, um junge Schüler damit zu unterrichten.

Jugendliche mit geistiger Behinderung ermutigen

Bevor es praktisch zur Sache für die teilnehmenden Lehrer geht, berichten Luise Jahn und Christoph Marx von ihrer vielseitigen Projektarbeit: der aktiven Medienarbeit, u. a. der Medienwerkstatt – speziell der Erstellung von E-Book-Geschichten gemeinsam mit geistig behinderten Jugendlichen an der Karl-Neumann-Schule in Eilenburg. Unter dem Titel „So, seh‘ ich das“ entstand ein 9-minütiger Film mit unterschiedlichen Perspektiven der Schülerinnen und Schüler – beispielsweise einmal aus der Sicht eines Jungen im Rollstuhl, für den viele Orte in seiner Stadt nicht erreichbar sind, oder eines anderen Jungen, der für sich das Komponieren von Musikstücken mithilfe einer modernen App erlernt und genutzt hat.  Dabei sind die Jugendlichen über sich hinausgewachsen, trauten sich etwas zu oder entdeckten neue Seiten an sich. Das Feedback der Lehrerin: „Das Erfolgserlebnis war für die Schüler riesig, sonst ist immer alles schwer für sie.“ Der Film wurde im Bürgerhaus Eilenburg präsentiert. 2019 erhielt der Landesfilmdienst Sachsen e. V. für diese Zusammenarbeit den medienpädagogischen Sonderpreis "Digital – für ALLE!“ vom Ministerpräsidenten Michael Kretschmer verliehen.

Erfolg wird immer sichtbarer

Dass die Arbeit vom Landesfilmdienst Sachsen fruchtbar ist, verdeutlicht auch ein anderes Beispiel. „Neulich sind wir von der Lebenshilfe in Auerbach angesprochen worden, die ein medienpädagogisches Konzept für die Wohneinrichtung erarbeiten, sie beratend zu begleiten“, berichtet Christoph Marx. „Ein neuer Mitarbeiter von dort hatte uns bereits durch eine Fortbildung im Studium kennengelernt und im jetzigen Berufsleben hat er sich an uns erinnert. Es ist für uns schon einzigartig hier in Sachsen, dass sich eine Wohneinrichtung Gedanken darüber macht, wie sie ihre Bewohner in Medienbildung und -kompetenz befähigen kann.“

Vor etwa 10 Jahren begann der Landesfilmdienst Sachsen e. V. seine Tätigkeit in Richtung Menschen mit Behinderung aufzubauen. Aus einem einmaligen Fotoprojekt an einer Wohnstätte zeigte sich, wie groß eigentlich der Bedarf ist. „Wir können inzwischen gar nicht mehr diesen Bedarf decken, deshalb müssen wir unser Wissen an Lehrer und Betreuer weitergeben, damit diese es an ihre Schüler und Bewohner weitertragen können“, sagt Christoph Marx.

2019 führte der Landesfilmdienst rund 15 Fortbildungen für Lehrer, Betreuer, Sonderpädagogen durch. Ab 11. März 2020 startet zudem eine neue Fortbildungsreihe „Medien schaffen Teilhabe“ ein Mix aus Webinaren, Online-Schulungen und Vorort-Schulungen.

www.landesfilmdienst-sachsen.de/home/news-uebersicht/fortbildungsreihe-medien-schaffen-teilhabe

Inzwischen haben sich die angehenden Lehrer und Lehrerinnen für Förderschulen in Gruppen zusammengefunden und setzen ihr Thema, das sie im vorherigen Modul bereits erdacht haben, um. Mit dem iPad können sie ihre eigene „Geschichte erzählen“ in Form von Comics, Video, Musik oder Hörspiel mithilfe von speziellen Apps. Vier angehende Lehrerinnen haben dazu Socken und Wolle ausgepackt. Sie verbinden damit altes und neues. Andere Teilnehmende probieren sich an den Geräten aus und erarbeiten einen Trailer in verschiedenen Versionen: Horror oder Liebesfilm. Dafür haben die angehenden Pädagogen rund 2 Stunden Zeit, bevor sie es ihren Kommilitonen präsentieren.

Kino ohne Hürden

Eine weitere Säule des Projektes „Telling Stories“ ist neben den Fortbildungen und der Medienwerkstatt das Kino ohne Hürden. Es ist ein Wanderkino, dass kostenfrei gebucht werden kann. Dabei reisen Luise Jahn und Christoph Marx durch ganz Sachsen und organisieren meist mit einer Einrichtung barrierefreie Filmvorführungen mit oder ohne anschließende Diskussion. „Im letzten Jahr waren wir restlos ausgebucht“, sagt Luise Jahn.

„Die teilnehmende Einrichtung kann sich über unsere Webseite unser Filmportfolio anschauen und auswählen. Wir beraten, welche Filme zur Zielgruppe passen und ob eine Diskussion und Auswertung zum Film ratsam ist“, informiert sie weiter. Besonders gerne wird das Angebot auch von Wohnstätten angenommen.

www.telling-stories.org/de/kino

Für Luise Jahn und Christoph Marx ist die Arbeit mit den Menschen mit Behinderung wichtig und von persönlicher Bedeutung. Sie sehen die Erfolge, den Stolz und die Freude darüber bei den Jugendlichen mit Lernbehinderung. „Ihre Begeisterung, Neugierde, ihren Eifer und das über sich hinaus Wachsen, ist die beste Bestätigung für unser Tun“, betonen Luise Jahn und Christoph Marx. Damit diese Art von Medienarbeit auch nach 2020 weiterlaufen kann, ist ein Weg die Teilnahme am Wettbewerb "Ferry Porsche Challenge". Hier können bis zum 21. Februar 2020 noch Stimmen abgegeben werden

https://ferry-porsche-challenge.de/online_voting/landesfilmdienst-sachsen-fuer-jugend-und-erwachsenenbildung-e-v-moving-forward/?cat=7

 

Frau und Mann stehen vor der Leinwand und schauen zum Publikum

Luise Jahn und Christoph Marx vor der „Klasse“. Sie berichten vom Projekt in Eilenburg.

Frau und Mann vor dem Ipad

Fortschritt und Freude durch Technik – Luise Jahn und Christoph Marx