„Wir sind ein positives Schneeballprinzip.“
„Sie ist nicht nur Partymeile, sondern sie ist ein Ort, wo man lebt, arbeitet, lernt, sich begegnet und gestaltet“, sagt Annett Heinich. Gemeint ist das Szeneviertel „Neustadt“ in Dresden. Annett Heinich und Sören Haak organisieren seit drei Jahren eine Nachbarschaftsinitiative. Unter dem Leitmotiv „Neustad(t)raum – ein inklusiver Lebensort?! bieten sie eine öffentliche Plattform, um sich zu treffen, gemeinsame Themen zu finden und etwas für „sein Viertel“ zu bewegen.
Unterschiedliche Menschen zusammenbringen
„Wir möchten Menschen zusammenbringen, unabhängig von Alter, Herkunft oder Einschränkungen, die sich sonst vielleicht nicht begegnet wären“, fasst die Initiatorin zusammen. „Uns ist wichtig, dass Neustädter*innen zusammenkommen, die Lust haben, einerseits Barrieren abzubauen und anderseits Gemeinsamkeiten finden und daraus etwas umsetzen und erreichen möchten“.
Offenes Netzwerktreffen
Am 8. Juni 2020 laden Annett Heinich und Sören Haak wieder zu einem offenen Netzwerktreffen "mit Abstand" ein. „Dazu treffen wir uns diesmal im Projekttheater und rufen bekannte als auch interessierte Akteure*innen der Dresdner Neustadt zusammen. Eine Anmeldung ist nicht nötig.“
Für die Treffen suchen die beiden Initiator*innen immer unterschiedliche Orte und Lokalitäten in der Neustadt aus. Bei den Treffen werden gemeinsame Nenner gesucht. Zum Beispiel haben Rollstuhlnutzer*innen und Radfahrer*innen ähnliche Vorhaben – möglichst hindernisfreie Wege oder behinderter Mensch und Menschen mit Migrationshintergrund haben mit Vorbehalten zu tun und suchen nach Lösungen. Oder ganz praktisch gesehen: ein junges Paar findet sich und hilft einer älteren Dame beim Vorrichten der Küche. Die gesteckten Aufgaben in den Treffen erledigen die Initiator*innen nicht zwingend selbst – das ist auch im Ehrenamt und neben der täglichen beruflichen Arbeit nicht möglich. Die Teilnehmenden finden sich einfach untereinander. „Wir sind eher als positives Schneeballsystem zu verstehen“, erklärt Sören Haak mit einem Schmunzeln.
Junge ALTE in der NEUstadt
Auf dem Weg ist beispielsweise das Angebot „Junge ALTE in der NEUstadt“ – hier kommen Frauen und Männer ü 60 zusammen, um gemeinsam etwas zu unternehmen und nicht allein oder einsam zu sein.
Interessierte können hier Kontakt aufnehmen:
https://neustadtraum.de/junge-alte-in-der-neustadt/
Aufklären und Sensibilisieren
Die Nachbarschaftshilfe sensibilisiert und klärt auch auf – etwa bei den vielen Kneipen und Bars in der Neustadt, die oftmals nicht zugängig für Rollstuhlnutzer*innen sind. Hier informieren sie über die Möglichkeiten zum barrierefreien Umbau und Fördermittel hierfür oder auch über die Möglichkeit bei Bedarf Rampen ausleihen zu können.
Übersicht über Neustadt-Kneipen mit Rampen bzw. Informationen zum Ausleihen:
https://kompass-dresden.org/projekte/rampen-aktion/
„Wir werden auch von Veranstaltern angefragt, wo es in der Neustadt barrierefreie Orte gibt“, berichtet Annett Heinich. Dabei werben sie auch für das barrierefreie Infoportal der Stadt Dresden, das umfangreiche Informationen zu barrierefreie Orten und Wegen bereithält:www.dresden.de/apps_ext/InfoportalBarrierefreiheit_de/institutions?0
Annett Heinich und Sören Haak haken nach, informieren und bitten um Lösungen bei Betreibern oder Behörden, beispielsweise wenn Orte und Plätze nicht zugänglich sind, wie zum Beispiel die Alaunstraße 1 oder im Kino Schauburg, die nur eine bedingte Barrierefreiheit bieten kann. „Dabei hat sich bewährt, persönlich mit den Verantwortlichen zu sprechen und zu zeigen, dass jemand Interesse an dem Angebot hat und es nutzen möchte“.
Veranstaltungen abgesagt
Aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie sind viele Veranstaltungen abgesagt worden, die der Neustad(t)raum mitgestaltet hätte wie das Luther-Platz-Fest, Bunte Republik Neustadt, Seniorentag oder auch Stadtteilspaziergänge im Rahmen des Janes walk oder des Neustadt-Art-Festival.
Informationen zum vergangenen Stadtteilspaziergang:
https://neustadtraum.de/2019/07/28/stadtteil-spaziergang-durch-die-innere-neustadt/
Ende September 2020 soll es voraussichtlich im Zusammenhang mit dem Neustadt-Art-Festival 2020 wieder einen Spaziergang geben.
„Wir haben in der Zeit, wo gar keine Treffen möglich waren, viel mit Nachbarn gesprochen, das war auch bereichernd und wichtig für unser Wirken in der Nachbarschaftsinitiative“, berichtet der Sozialpädagoge Sören Haak. „Der kleinere Aktionsradius macht Potential ‚vor der Haustür‘ sichtbar.“ Der Austausch fließt mit in das Treffen im Juni.
Annett Heinich und Sören Haak leben seit 20 Jahren in der Neustadt und schätzen den Stadtteil besonders wegen seiner Vielfalt, der Offenheit und der vielen verschiedenen Kulturen. Anfangs sind sie oft gefragt worden, warum sie gerade dort leben, wo es so viele Barrieren gibt. Inzwischen sind es durch ihr ehrenamtliches Engagement ein bisschen weniger geworden. „Unser Wunsch ist es, dass unsere Neustadt ein Ort ist und wird, der für alle bezahlbar bleibt, der noch heterogener wird, der immer mehr Barrieren abbaut (in alle Richtungen gedacht), der menschenfreundlich NIEMANDEN ausschließt. Ein Ort zum gut schlafen, frühstücken, arbeiten, solidarisieren, für Freiräume……“, fasst Annett Heinich zusammen.
Infos: https://neustadtraum.de/
Termin „offenes Netzwerktreffen Neustadt(t)raum“
8. Juni 2020
Treff: 18.00 Uhr
Ort: Projekttheater Dresden e. V.; Louisenstraße 47, 01099 Dresden