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André, Zwickau

„Wir sind nicht so viel anders."

Über mich:

Ich heiße Andre.
Ich bin 23 Jahre alt.
Ich studiere Gesundheits·management in Zwickau.

Ich habe eine Krankheit:

Als Kind bin ich zu Hause noch gelaufen.
Als ich noch in die 7. und 8. Klasse ging.
Manchmal habe ich sogar 1,5 Kilometer geschafft.
Jetzt schaffe ich 3 bis 4 Schritte. 
Wenn ich etwas zum Fest·halten habe. 
Zum Beispiel kann ich mich beim Kochen in der Küche an der Arbeits·platte abstützen.
Ich wohne jetzt mit einem Mit·bewohner in einer Wohn·gemeinschaft.
Später muss die Arbeits·platte unter·fahrbar sein und ein bisschen tiefer. Damit ich entspannt im Sitzen schneiden kann.
Wenn ich eine eigene Wohnung habe.

Meine Eltern haben mir immer gesagt: 
Du wirst irgendwann komplett im Rollstuhl sitzen.
Das war gut. 
Ich bin damit aufgewachsen. 
Ich wusste ungefähr:
Was erwartet mich. 
Ich sitze im Rollstuhl. 
Ich habe Einschränkungen.
Das ist einfach so. 
Ich sehe es aber als Herausforderung.
Man muss einen Weg finden. 
Um seinen Alltag trotz dieser Herausforderung zu meistern.

Erst vor ungefähr 5 Jahren haben die Ärzte heraus·gefunden:
Was habe ich für eine Krankheit.
Sie hat einen schwierigen Namen.
Die Nerven zu den Muskeln sind seit meiner Geburt fehl·gebildet.
Das ist besonders in meinen Beinen so.
Deshalb kommen die Befehle dort nur verzögert an.
Oder sie kommen gar nicht an.
Deswegen habe ich schwächere Muskeln als andere.
Und die Muskeln bauen stärker ab. 
Das nennt man Muskel·schwund.

Die Ärzte wissen nicht:
Warum betrifft das besonders meine Beine. 
Mein Ober·körper ist davon wenig betroffen.
Die Ärzte meinten:
Ich werde mit 16 oder 17 Jahren im Elektro·rollstruhl sitzen.
Ich setze mir aber meine Ziele selbst. 
Und ich schaue was möglich ist. 
Das kann ich ein Stück weit selbst bestimmen.
Ein Arzt kann nur mit Hilfe von Mess·geräten von außen schauen.

Meine Rücken·muskulatur war nicht stark genug.
Sie konnte meine Wirbel·säule nicht gerade halten. 
Als ich noch gewachsen bin.
Deshalb hat sich die Wirbel·säule stark verschoben.
Das nennt man massive Skoliose.

Mein linkes Schulter·blatt wurde auch etwas nach außen gedrückt.
Meine Wirbel·säule und das Schulter·blatt wurden bei einer Operation begradigt und fixiert.
Das bedeutet: 
25 Schrauben und 2 Stäbe aus Metall halten jetzt meinen Rücken gerade.
Das Beugen und Drehen von meinem Ober·körper funktioniert nur noch über 2 Wirbel. 
Und nur 2 Band·scheiben müssen alles abfedern.

Das ist manchmal ein Problem:
Ich versuche barriere·freie Halte·stellen zu benutzen. 
Dann muss ich nicht aus der Bahn springen.
Und muss meinen Ober·körper nicht stauchen.
Ich habe auch viel geübt.
Damit ich Bord·stein·kanten hoch zu fahren.
Dafür brauche ich einen gut angepassten Roll·stuhl.
Deshalb freue ich mich immer.
Wenn beim Straßen·bau und Fuß·wege·bau an Roll·stuhl·fahrer gedacht wird.

Ich spreche jemanden an und bitte um Hilfe. 
Wenn ich welche brauche. 
Zum Beispiel wenn Produkte weiter oben im Regal stehen und ich nicht rankomme. 
Die meisten Menschen helfen sehr gern.

Ich muss besonders auf meine Roll·stuhl·räder achten.
Ich schaue immer auf den Boden. 
Zum Beispiel ob dort Hunde·kacke oder Glas·scherben liegen.
Man kann sich vorstellen:
Kacke an den Rädern ist ekelhaft.
Weil man die Räder anfassen muss.
Schnell hat man sie an den Händen und in der Wohnung.
Und ein platter Reifen ist auch schwierig. 
Man kann nicht einfach aus dem Roll·stuhl aussteigen und schieben. 
Man muss mit dem platten Reifen weiter·fahren. 
Das ist schlecht für die Räder.
Ich fahre dann in einen Fahr·rad·laden.
Und hole mir dort einen neuen Schlauch. 
Den wechsle ich selbst. 
Das geht viel schneller.

Ich habe sehr zeitig gelernt: 
Wie kann ich mir selbst helfen.
Jeder Mensch muss Herausforderungen im Leben meistern. 
Vielleicht ist meine Herausforderung größer. 
Aber das ist im Prinzip egal.
Am Ende muss jeder Mensch mit seiner Situation klar·kommen.
Und das Beste daraus machen. 
Das ist das Wichtigste.

Meine Eltern haben mir das von Anfang an sehr gut beigebracht.
Ich sage zum Beispiel auch: 
Ich laufe durch die Stadt.
Ich möchte als Mensch gesehen werden.
Meine Behinderung soll im Hintergrund stehen.
Für mich ist es wichtiger zu sehen: 
Was habe ich und was kann ich.

Viele gesunde Menschen haben wenig Kontakt mit Behinderten. 
Weil es zum Beispiel eigene Schulen für Körper·behinderte gibt.
Ich möchte zeigen: 
Wir sind auch normale Menschen.
Wir sind fast so wie die Gesunden.
Manchmal werde ich gefragt: 
Sehe ich meine Behinderung als Stärke, als Schwäche oder als Besonderheit.
Ich habe lange über diese Frage nachgedacht.
Meine Behinderung ist natürlich körperlich eine Schwäche.
Das ist so.
Aber meine Behinderung ist auch eine Stärke.
Ich denke: 
Die Behinderung beeinflusst den Charakter.

Es ist wichtig auf seinen Körper zu hören.
Man darf auch langsam sein. 
Und sich Zeit für die wichtigen Dinge nehmen.
Das ist auch mein Motto:
Ich lebe im Hier und Jetzt. 
Der Moment zählt.
Ich genieße die kleinen Dinge.
Man weiß nie genau: 
Was wird als nächstes passieren.

Ich spiele Roll·stuhl·basketball

Der Sport ist sehr wichtig für mich. 
Er hilft mir fit und gesund zu bleiben.
Mit 5 Jahren habe ich mit Roll·stuhl·basketball angefangen.
Es ist schon mehr als nur ein Hobby für mich.
Jetzt spiele ich schon recht professionell.

Deshalb habe ich mir einen neuen Sport·roll·stuhl geleistet.
Er hat 7500 Euro gekostet.
Die Stühle werden teurer. 
Aber sie werden auch besser.
Als Kind hatte ich noch einen riesigen Roll·stuhl.
Es gibt Menschen die überlegen sich: 
Wie können Roll·stühle besser sein für Menschen mit Behinderung.
Am Ende muss man sich mit der Kranken·kasse streiten. 
Ob sie den Rollstuhl bezahlt.

Es ist sehr schwer das Geld für einen Sport·roll·stuhl zu erhalten. 
Stiftungen haben meinen ersten Sport·roll·stuhl bezahlt.
In einer Stiftung wird viel Geld eingesammelt und verwaltet.
Dieses Geld wird meistens für gemein·nützige oder wohl·tätige Zwecke aus·gezahlt.

Mein erster Sport·roll·stuhl hat 5000 Euro gekostet. 
So viel Geld können nur wenige Menschen für einen Roll·stuhl ausgeben.
Sehr selten bezahlt die Kranken·kasse ohne Probleme einen Sport·roll·stuhl.
Dabei kann man Roll·stuhl·basketball als Reha·sport abrechnen.
Ich bekomme vom Arzt ein Rezept dafür.
Aber niemand bezahlt das Gerät. 
Das man für den Sport braucht.

Momentan spiele ich Roll·stuhl·basketball in der 2. Bundes·liga.
Ich habe auch schon mal in der 1. Bundes·liga mitgespielt.
Das ist sehr gut.
Es gibt noch die internationale Ebene. 
Die habe ich aber noch nicht geschafft.

Das Regel·werk im Rol·lstuhl·basketball ist so wie im Basketball auch.
Das ist gleich:

  • Spiel·feld·größe
  • Spiel·zeit
  • Korb·höhe 

Ein paar Unterschiede gibt es aber:

  • Es gibt keine Doppel-Dribblings.
  • Was darf man mit dem Rollstuhl machen.
  • Wie wird verteidigt.

Beim Roll·stuhl·basketball dürfen auch gesunde Menschen mitspielen. 
Nur auf der internationalen Ebene ist das untersagt.
Frauen und Männer spielen zusammen in einer Liga.
Erst ab der National·mannschaft spielen sie getrennt.

Es gibt im Rollstuhl·basketball ein Klassifizierungs·system.
Die Spieler erhalten unterschiedlich viele Punkte.
Das System reicht von 1 bis 4,5 Punkte.
Frauen haben weniger Muskulatur als Männer.
Und deshalb haben sie weniger Kraft.
Das wird beim Klassifizierungs·system berücksichtigt.

Ein massiv eingeschränkter Spieler bekommt 1 Punkt.
Ich bin auch ein Spieler mit 1 Punkt.
Ein Spieler mit 1 amputierten Bein unterhalb vom Knie bekommt zum Beispiel 4,5 Punkte.
Die Gesunden oder nur minimal Eingeschränkten können körperlich mehr leisten. 
Auch wenn sie im Rollstuhl sitzen.

Das Team besteht aus 5 Spielern.
Das Team darf insgesamt nur 14,5 Punkte haben.
So können auch die stark Eingeschränkten spielen.
Man braucht aber auch leistungs·starke Spieler.
Das macht den Sport schneller und ansehnlicher.
Im Spiel sind die Aufgaben klar verteilt. 

Ich spiele in der Verteidigung. 
Mein Center soll so nah wie möglich an den Korb kommen und Punkte machen.
Der Center-Spieler spielt in der Nähe vom Korb.

Alle Spieler sitzen beim Roll·stuhl·basketball im Roll·stuhl.
Nur so funktioniert das gemeinsame Spiel von eingeschränkten und gesunden Spielern.
Die gesunden Spieler sitzen meistens ein Stück höher im Roll·stuhl.
Ihr Rollstuhl hat eine niedrigere Rücken·lehne und größere Räder.
Die körperlich stärker eingeschränkten Spieler sitzen niedriger im Rollstuhl. 
Sie haben eine höhere Rücken·lehne.
So sitzen sie stabiler im Roll·stuhl.

Viele Zuschauer sind erstaunt: 
Das Spiel ist sehr schnell.
Und der Korb hängt genauso hoch wie beim normalen Basketball. 
Obwohl die Spieler beim Korb·wurf nicht hochspringen.
Man hat nur die Arme zum Wurf. 
Deshalb braucht man für das Werfen viel Kraft.

Ein Freund von mir freut sich immer:
Wenn ein Spieler einen Dreier geworfen hat.
Beim Dreier wirft man ungefähr 6 Meter weit den Ball in den Korb.
Der Sport hat sich weiter·entwickelt. 
Er ist viel schneller geworden.
Heute gibt es Spieler die treffen im Spiel 6 bis 7 Mal von der Dreier·linie.

Manche Spieler schaffen mit ihrem Roll·stuhl im Spiel 25 Kilometer pro Stunde. 
Sie sind dann sehr schnell.
Manchmal fallen Spieler mit ihrem Roll·stuhl um. 
Die Zuschauer erschrecken dann.
Man bleibt aber trotzdem fest im Roll·stuhl sitzen. 
Man ist angegurtet.
Manche Spieler können allein mit dem Roll·stuhl wieder aufstehen.
Bei manchen geht das sehr schnell.

Der Sport·roll·stuhl sieht ganz anders aus als der Alltags·roll·stuhl:
Die Räder sind zum Beispiel viel schräger.
Und es gibt ganz unterschiedliche Neigungen von den Rädern.
Deshalb ist der Sport·roll·stuhl viel wendiger.
Ich bewege nur ein bisschen meiner Hüfte. 
Oder verlagere ein bisschen mein Gewicht.
Dann fährt der Sport·roll·stuhl in eine andere Richtung.
Das geht ganz leicht.

Am Sport·roll·stuhl sind auch Stütz·räder dran.
Am normalen Alltags·roll·stuhl kann man auch Stütz·räder haben.
Ich finde aber:
Sie stören wenn man Bord·stein·kanten hoch und wieder runter fährt.

Mit dem Sport·roll·stuhl kann man am besten in der Halle fahren.
Er hat 2 bis 3 Gurte dran. 
Da sitzt man ganz fest drin.
Das ist gut so.

Ich spiele für den Verein RB Zwickau.
Von den Spielen gibt es auch Live·streams.
Über einen Live·stream kann man sich die Spiele im Internet mit einem Computer anschauen.
Wenn man nicht in die Halle zum Spiel gehen kann.
Unser Live·stream hat den Link: 
https://www.youtube.com/@user-kl2xk5dt2g
Auf den Link klickt man einfach mit der Maus vom Computer.

Ich beschäftige mich viel mit Hilfs·mitteln für behinderte Menschen

Der Roll·stuhl ist ein sehr teures Hilfs·mittel.
Die Räder an meinem Roll·stuhl haben 900 Euro gekostet.
Die Kranken·kasse hat sie nicht bewilligt.
Meine Räder sind leichter. 
Und sie lassen sich dadurch besser anschieben. 
Deshalb habe ich etwas dazu gezahlt. 
Das war es mir wert.
Der Rollstuhl ist fast wie ein Kleidungs·stück.
Mit dem du jeden Tag rumfährst.

Manchmal fragen mich Menschen: 
Was hat dein Rollstuhl gekostet. 
Meistens merke ich: 
Sie haben keine Ahnung: Wie teuer ist er.
Mein Roll·stuhl hat ungefähr 7000 Euro gekostet. 
Das ist viel Geld. 
Dafür kann man sich einen Klein·wagen oder Gebraucht·wagen kaufen.
Der Roll·stuhl ist ein Hilfs·mittel. 
Er macht meinen Alltag möglich.
Meiner Meinung nach ist es ungerecht: 
Dass er so teuer ist.
Wenn ich mir das Material von meinem Roll·stuhl anschaue.

Natürlich gibt es eine Förderung für Roll·stühle. 
Das bedeutet:
Die Kranken·kassen bezahlen den Roll·stuhl komplett.
Trotzdem muss man sich als behinderter Mensch oft mit den Kranken·kassen streiten. 
Meistens sind die Rollstühle nicht gut.
Weil die Kranken·kasse Geld spart.
Aber die Lebens·qualität von behinderten Menschen leidet darunter. 
Weil der bezahlte Roll·stuhl nicht gut ist.
Manchmal kommt es dabei zu gesundheitlichen Schäden.
Und am Ende müssen die Kranken·kassen teure Behandlungs·kosten bezahlen.
Ich habe in Reha-Einrichtungen schon sehr schwere Roll·stühle gesehen. 
Die wogen 20 bis 25 Kilogramm. 
Damit hat man es sehr schwer.

Ich studiere Gesundheits·management in Zwickau.
Ich wollte in der Nähe von meinem Basketball·verein bleiben. 
Denn der Sport ist sehr wichtig für meine Gesundheit.

Mein Plan ist: 
Ich möchte später in einer Kranken·kasse arbeiten.
Am besten in der Hilfs·mittel·abteilung.

Die Bewilligung soll langfristiger gedacht werden.
Ein billiger Roll·stuhl ist zum Beispiel nur kurzfristig günstiger. 
Man sitzt nicht optimal drin. 
Und man bekommt vielleicht Druck·stellen. 
Die Druck·stellen können sich öffnen.
Dann muss man für ein paar Wochen ins Kranken·haus. 
Und muss dort behandelt werden.
Das ist teuer und die Kranken·kasse muss es bezahlen.

Deshalb möchte ich als Sach·bearbeiter bei einer Kranken·kasse arbeiten. 
Ich möchte lernen:
Wie ist es dort.
Später leite ich vielleicht auch ein Team. 
Dann kann ich behinderte Menschen ein bisschen mehr unterstützen.
 

Link zum RB Zwickau e.V. Abteilung Rollstuhlbasketball: https://cms.rbzwickau.de/

Bildrechte: Bert Harzer

Interview veröffentlicht am: 14.03.2023