Herr Herden, Ehrenberg CAMO e.V.
Karl-Heinz Herden: Ich bin schon immer ein Teamplayer. Ich war z.B. früher Fußballer. Und seit einer Weile bin ich hier involviert. In die Theater-Gruppe bin ich für das Stück „Marco Polo“ gekommen. Ich muss sagen, das war für mich eine der wertvollsten Erfahrungen überhaupt. Wir haben vorher immer gedacht, die anderen haben eine Behinderung. Aber jetzt frage ich mich: Wer hat eigentlich die Behinderung? Ich bin dankbar dafür, Giorgio und seine Projekte kennenlernen zu dürfen. Das habe ich auch offiziell auf der Bühne gesagt.
Ja, die Zusammenarbeit mit den Blinden oder den Gehörlosen und den vielen anderen Gruppen war einfach so phantastisch.
Ja, die Zusammenarbeit mit den Blinden oder den Gehörlosen und den vielen anderen Gruppen war einfach so phantastisch. Wir haben uns alle gut verstanden, wir hatten ja auch ein gemeinsames Ziel. Diese Erfahrungen möchte ich nicht missen, es erweitert unheimlich den Horizont. Wir waren letztens beim Arbeiter-Samariter-Bund. Und wenn man dann dort die trifft, mit denen man gespielt hat, und die rufen einem ein freudiges „Hey“ zu. Das ist einfach schön. Auch die schwererziehbaren Kinder haben mich nach über einem Jahr Pause zwischen zwei Projekten sofort erkannt. „Hey Geppetto, bist du wieder da“ schallte mir entgegen. Ich habe den Geppetto, also den Vater von Pinoccio gespielt. In den Schauspielstücken bin ich ja meistens der Älteste.
Giorgio: Aber so jemanden braucht man auch. Bei dem Stück „Marco Polo“ hat er auch den Vater von Marco gespielt.
Karl-Heinz Herden: Für uns ist der Verein und das Theater sehr interessant. Ich habe meinen Kumpel, mit dem ich Tennis spiele, mitgebracht. Eigentlich haben wir für sowas gar keine Zeit. Wir sind überall und nirgendwo und machen alles mit. Wir treffen uns aber sehr gern hier, weil wir immer Spaß haben. Dann gibt es auch mal eine Flasche Wein oder ein Glas Sekt und wir haben immer viel zu reden. Es ist wirklich eine dufte Truppe hier.
Einzelne Episoden beschreiben am besten dieses Gefühl hier, wie z.B. die Situation hinter den Kulissen bei „Marco Polo“ mit den schwer erziehbaren Kindern. Das Publikum wurde eingelassen und es sollte absolute Ruhe sein. Die Kinder sind eigentlich sehr zappelig. Aber als es drauf ankam war es wirklich mucksmäuschenstill. Das war beeindruckend. Ein weiterer Eindruck für mich waren Situationen mit den mitwirkenden Ausländern und Migranten. Zwischen den Szenen mussten wir uns oft umziehen. Ganz selbstverständlich taten wir das einfach vor den anderen. Die Ausländer wussten zunächst nicht, was sie machen sollten, zogen sich zurück oder beobachteten uns nur. Aber das war nur am ersten Abend so. Danach war alles okay.
Ein Mädchen aus Marokko war eine kleine Lady, etwa 16 Jahre alt. Sie wollte unbedingt High Heels tragen und damit auftreten. Wir haben ihr aber erklärt, dass sie das nicht machen kann.
Oder auch die chronisch kranken bzw. behinderten Kinder, die als Indianer aufgetreten sind. Denen haben wir nach dem Auftritt gesagt, das kann man gar nicht besser machen. Das war fantastisch und für uns alle auch ein Ansporn, besser zu werden.
Bei Marco Polo waren 125 Leute beteiligt. Das alles zu koordinieren, war schon eine Leistung.
Mit der Zeit wurde auch der Umgang der verschiedenen Gruppen untereinander immer professioneller. Und das hat echt Spaß gemacht. Bei Marco Polo waren 125 Leute beteiligt. Das alles zu koordinieren, war schon eine Leistung.
Seit über viereinhalb Jahren bin ich Pensionär nach über 37 Jahren Strafvollzug, zuletzt als Direktor.
Seit über viereinhalb Jahren bin ich Pensionär nach über 37 Jahren Strafvollzug, zuletzt als Direktor. In meiner aktiven Zeit in der JVA Waldheim rief eines Tages meine Wache an und sagte: „Hier unten steht ein Italiener.“ Ich habe geantwortet: „Das ist aber schön, ist er mit der Gondel gekommen? Schicken sie ihn mal hoch zu mir.“ Giorgio hat mir von seiner Zeit in Berlin erzählt und von seiner Projektidee, die er nun gerne mit Gefangenen umsetzen wollte. Und ich habe dann gesagt: „Ja, dann machen Sie doch!“ Und dann war er auf einmal ganz still und ich fragte mich, warum er so ruhig war. Er meinte dann, dass es ihn wunderte, dass ich einfach „Ja“ gesagt habe. Den Projektantrag mit entsprechendem Konzept hat das Ministerium bewilligt und so begann Giorgio sein Projekt im Knast. So haben wir uns kennengelernt.
Dann hatten wir uns eine Weile aus den Augen verloren, weil ich nicht mehr in Waldheim arbeitete. In der Zeitung ist meiner Frau und mir dann irgendwann eine Anzeige zu einem italienischen Kochkurs aufgefallen, der hier auf dem Vereinsgelände stattfinden sollte. Dieser Kochkurs mit Giorgio hat uns sehr gefallen. Wir wollten noch mehr verrückte Sachen machen und natürlich viel lachen. Und so haben wir uns wieder gefunden. So machen wir jetzt schon seit Jahren verschiedene Projekte die mit Theater, Masken und Kochen zu tun haben.
Noch ein letztes Thema. Wenn wir über Barrierefreiheit reden, reden wir auch über die Barrierefreiheit für die Zuschauer. Damit meine ich nicht nur den behindertengerechten Zugang oder die Toilette in der Spielstätte. Bei jedem Theaterstück waren zwei Gebärdendolmetscher dabei, die alles für die gehörlosen oder gehörgeschädigten Zuschauer in Gebärdensprache übersetzten. Für die blinden Besucher haben wir jede Szene als Text eingesprochen, so dass sie dem Stück wie einem Hörspiel folgen können.
Webseite des Vereins Förderkreis Centro Arte Monte Onore e.V.: http://www.centro-monte-onore.de/
Interview geführt am: 06.06.2019
Interview veröffentlicht am: 03.04.2020