Katharina, Dresden
Mein Name ist Katharina, ich bin Teammanagerin der Dresden Monarchs U19 Special. Außerdem bin ich Mutti eines autistischen 18-Jährigen. Mein mittlerer Sohn ist 16 Jahre alt und auch gerade in der Abklärung, ob er ADHS und/oder Autismus hat. Und dann ist da noch mein jüngster Sohn, der hier auch gerade auf dem Sportplatz herumschwirrt.
[..] dort haben wir erfahren, dass es bei den Dresden Monarchs eine Sportgruppe für Kinder gibt, die „special“ sind.
Durch die Autismus-Diagnose meines Sohnes sind wir vor Jahren in der Autismus-Ambulanz gelandet und dort haben wir erfahren, dass es bei den Dresden Monarchs eine Sportgruppe für Kinder gibt, die „special“ sind. Am Anfang war es für Autisten gedacht, weil der damalige Head-Coach selbst ein autistisches Kind hat. Und so haben sich donnerstags ein paar Leute auf die Wiese gestellt und ein bisschen Training gemacht. Zuerst waren sie zu zweit, dann zu dritt und dann immer mehr. Damit war das U19 Special-Team geboren. Alles was wir hier machen läuft über ehrenamtliche Tätigkeit.
Das Projekt wurde über die Autismus-Ambulanz und die Schulen der Kinder immer bekannter. Jetzt, nach vier Jahren, haben wir 44 Kinder. Es sind über 30 Kinder, die regelmäßig kommen plus weitere, die in der Probezeit sind und noch nicht wissen, ob sie dabeibleiben wollen oder nicht.
Der Trainerstab setzt sich aus Eltern mit Football-Interesse und Football-Spielern zusammen. Mein Mann ist auch Football-Fan. Er war beim ersten Training dabei und ist danach auch gleich ein Coach geworden. Einer unserer anderen Trainer ist selbst „special.“ Er hat einen Gen-Defekt. Der Pflege-Papa von einem teilnehmenden ADHS-Kind stand so lange am Spielfeld-Rand, bis ich sagte, er solle das nächste Mal Turnschuhe mitbringen. Jetzt macht er auch mit. Wenn man mir sympathisch ist, dann hat man verloren ;-)
Das Besondere ist, dass wir nicht nur Trainer brauchen, sondern auch einen hohen Betreuer Bedarf haben. Man muss ein bisschen mehr aufpassen und den Kindern mehr sagen, was sie machen sollen. Man kann auch nicht jeden allein auf die Toilette gehen lassen. Deswegen haben wir mittlerweile mindestens drei Sideline-Coaches, so nennen wir sie.
Die Dresden Monarchs gibt es seit 1992. Sie haben damals nach der Wende als Football-Team angefangen und sind dann als Verein immer mehr gewachsen. Auch die Nachwuchs-Arbeit wurde immer größer und jetzt haben wir die U11, U15, U17 und U20. Außerdem gibt es noch das Team „Senior Flag“, die „Flag 5“ und natürlich die 1. und 2. Männer-Mannschaft, wobei die erste Männer-Mannschaft in der German Football League (GFL) spielt. Wir haben seit 2024 auch eine Frauen-Mannschaft im Bereich Tackle Football. Derzeit sind es bereits über 40 Spielerinnen.
[...] beim American Football ist das Schöne, dass man nicht guckt, was das Kind nicht kann.
Den Bedarf für das U19 Special Team hat der damalige Head-Coach gesehen, weil er weiß, was sein autistischer Sohn braucht: Er will Sport machen, aber er kann mit dem Leistungsdruck einer normalen Mannschaft nicht mithalten. Beim Fußball beispielsweise muss man rennen und den Ball beherrschen können, und wenn man das nicht kann, ist man raus. Wenn man sich nicht konzentrieren kann, nicht immer gleich dabei ist, hat man verloren und fliegt aus dem Verein. Das ist vielen Kindern aus unserem Team schon passiert, und das ist nicht schön. Sie haben ja trotzdem den Drang, sich zu bewegen und wollen ein Mannschaftsgefühl haben. Deshalb brauchen wir solche Angebote wie das U19 Special Team. Denn beim American Football ist das Schöne, dass man nicht guckt, was das Kind nicht kann. Da wir in unserem Sport ganz viele Positionen mit unterschiedlichen Anforderungen anbieten können, finden wir bei jedem Spieler die Stärken und die dazu passende Position.
Das Training beginnt mit einer Runde um den Platz und ein paar Aufwärm-Übungen. Danach folgt ein kleines Grundlagen-Ausgleichstraining, damit die Kids ein Körpergefühl bekommen. Wenn die Gruppe zu groß ist, dann teilen wir in mehrere Gruppen auf und jede Gruppe kann „Shark Attack“ spielen. Das ist ein Spiel, bei dem man seinen weglaufenden Mitspielern eine Flagge stehlen muss. Das finden alle immer ganz toll. Danach werden Spielzüge und Taktiken im Bereich „Flag Football“ geübt. Am Trainingsende wird dann oft noch ein Staffel Lauf durchgeführt.
Wir analysieren jedes Training: Was war gut? Was war schlecht? Was müssen wir anpassen? Was muss anders laufen? Wie machen wir das beim nächsten Mal? Man muss im Kopf flexibel bleiben, damit es wirklich für alle ansprechend ist und Spaß macht.
Unser Team fördert auch die Inklusion im Verein, denn einige Spieler die bei uns ihren Einstieg hatten, spielen jetzt in anderen Teams im Leistungssportsektor.
Im Moment trainieren bei uns Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 21 Jahren. Sie bringen unterschiedlichste Beeinträchtigungen mit, wobei uns das gar nicht so interessiert. Wir achten auf den Menschen und die individuellen Stärken.
Unser Team fördert auch die Inklusion im Verein, denn einige Spieler die bei uns ihren Einstieg hatten, spielen jetzt in anderen Teams im Leistungssportsektor. Zukünftig wollen wir unser Sportangebot noch ausweiten. Wir wollen ein Team für erwachsene „Specials“ aufbauen. Außerdem arbeiten wir mit den „Flag 5“ zusammen, um Spielern die Möglichkeit zu geben, in den Bereich Leistungssport zu wechseln. Ein bisschen gehen unsere Gedanken auch in Richtung Special Olympic.
Deutschlandweit kenne ich nicht viele Vereine, die ein ähnliches Sport-Angebot haben. Es ist dann aber leider auch schwer, Gegner in Deutschland zu finden. Es wäre toll, wenn wir Vorreiter sein könnten und sich andere Vereine etwas bei uns „abgucken“.
Bekannt werden muss unser Team nur noch in dem Sinn, dass wir Nachahmer brauchen. Wir brauchen engagierte Leute, die herkommen und mitmachen. Der Bedarf ist da. Es gibt nur zu wenig Angebote. Wie der Head-Coach sagte: „Für manche Kinder ist es schon eine Herausforderung, überhaupt rauszugehen. Ein Zug fährt vorbei oder der Platz riecht komisch, weil es geregnet hat. Das sind so Sachen, die für manche Kinder das Training besonders machen.“ Man muss einen Plan haben, aber trotzdem mit Änderungen klarkommen.
Ein Spieler sagte mal zu seiner Mutti, die ihn fragte, was er so toll hier findet: „Endlich bin ich mal nicht der Einzige, der komisch ist.“
„Normale“ Kinder haben eine viel größere Auswahl. Die Beeinträchtigten dagegen fliegen aus dem Schwimm-Team, weil sie nicht gut genug sind, weil die Trainer sich keine Mühe geben wollen oder können, denn es geht immer um Leistung. Wir haben einen Jungen in unserem Team, der schießt den Ball aus der Kalten so hoch, wie die Lampen im Stadion hoch sind. Er hat ein Super-Talent, und hier bekommt er sein Special-Training.
Wir hatten auch Kinder mit Diagnose im Team, die dann aber so gut waren, dass sie in eine „normale“ Mannschaft wechseln konnten. Es sind aber auch einige dabei, die einfach nur Angst vor dem Ball haben, aber sehr gut Flaggen ziehen können. Das ist das, was das Spiel so cool macht, was an Football so toll ist. Wie Albert Einstein einmal gesagt hat: „Aber wenn Du einen Fisch danach beurteilst, ob er auf einen Baum klettern kann, wird er sein ganzes Leben glauben, dass er dumm ist.”
Es braucht viel mehr solcher Angebote.
Es braucht viel mehr solcher Angebote. Der einzige Sport, bei dem es ähnlich funktionieren könnte wie beim Football, ist Baseball. Man muss drei Sachen können: Man muss schlagen können, man muss werfen können, man muss rennen können. Wenn man das auf drei Personen-Gruppen aufteilt, ist es ein Spiel, das sich für Inklusion eignet. Aber bei allen anderen Sportarten ist es, finde ich, schwieriger, weil es oft um spezielle Fähigkeiten geht. Football ist ein Angebot, bei dem für jeden etwas gefunden werden kann. Die Kinder müssen sich auch nicht schlecht fühlen, weil sie den Ball nicht fangen können, sondern bloß werfen oder eben nur rennen können.
Wir haben auch ein neues Projekt gegründet, es heißt: „Dresden Monarchs - Football für alle“. Wir sind bei den GFL-Spielen dabei und verleihen Hilfsmittel - also vor allem Kopfhörer, Sonnenbrillen, Kappen. Das dient dazu, dass man sich etwas abschirmen kann, wenn man unter Stress gerät. Wir haben uns das einfallen lassen, weil ich gern mit meiner Familie bei den Spielen dabei sein möchte. Aber ich bin selbst Autistin, habe ADHS und bin hochsensibel. Ich halte z.B. Lärm einfach nicht aus. Ich brauche dann Kopfhörer und einen Sonnenschutz.
Mein Vorbild war unter anderem IKEA. Man kommt mit Baby dahin und erhält einfach etwas zu essen, eine Windel und hat einen Wickelraum. Ich dachte, so muss es beim Football und bei jedem Event sein. Man ist hier, es ist zu laut und man hat leider die Kopfhörer vergessen. Man gerät unter Stress und denkt, es wird immer lauter und immer schlimmer. Dafür bieten wir unsere Hilfsmittel bei den Spielen an und es wird super angenommen. Zuerst haben alle geguckt, aber schon beim ersten Spie hatten wir ein Super-Feedback. Eine junge Mutti findet unser Programm so gut, dass sie uns Baby-Kopfhörer gespendet hat. Es sind gar nicht mal so viele Autisten, denen es zu laut wird, es sind auch ganz „normale“ Leute. Oder manche Kinder finden es dann doch zu langweilig, aber die Eltern möchten sich gern das Spiel weiterschauen. Was dann? Dann kommen sie zu unserem Stand und bekommen dort „Stimming Tools“, also Hilfsmittel, die helfen sich zu beruhigen und sich zu regulieren. Manchmal bekommen wir auch eine kleine Spende, die wir in das Projekt investieren können. Damit gewinnen dann irgendwie alle.
Ich wünsche mir für die Zukunft mehr engagierte Vereine mit Menschen, die sehen, was geht und die es nachmachen. Es ist jedes Mal so ein Spirit auf dem Feld und so eine Dankbarkeit von den Kindern und den Eltern, dass man dann doch immer total gehypt ist.
Webseite: https://www.dresden-monarchs.de/teams/u19-special
Interview geführt am: 22.08.2024
Interview veröffetnlicht am: 15.10.2024