Jeanette, Dresden
Über mich:
Ich bin gehörlos.
Mein Mann ist auch gehörlos.
Unsere zwei Kinder sind hörend.
Unsere Kinder wachsen zwei-sprachig auf.
Unsere Kinder kennen zwei Welten:
die Hörende und die Gehörlose.
Ich bin die einzige Gehörlose in meiner Familie.
Meine Mutter hatte in der Schwangerschaft Röteln.
Dadurch bin ich gehörlos.
Über meine Arbeit:
Seit 5 Jahren arbeite ich im Förder-Zentrum für Hörgeschädigte.
Im Förder-Zentrum bin ich pädagogische Mitarbeiterin.
Pädagogische Mitarbeiterin bedeutet:
Ich begleite Menschen beim Lernen.
Ich möchte eine zweite Ausbildung machen:
Ich möchte eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin machen.
Dann habe ich mehr Chancen und Verantwortung im Beruf.
Mein Ziel ist: mit gehörlosen Kindern arbeiten.
Ich will bessere Bildung für gehörlose Kinder erreichen.
Leider bekomme ich seit 8 Jahren keine Ausbildung zur Erzieherin.
Denn für die Ausbildung brauche ich einen Gebärden-Sprach-Dolmetscher.
Ein Dolmetscher ist ein Mensch,
der alles in eine andere Sprache übersetzt.
Damit jeder alles versteht.
Ich habe noch keinen Gebärden-Sprach-Dolmetscher bekommen.
Dabei war ich in den letzten 8 Jahren mehrmals vor Gericht.
Ich kämpfe, damit ich die Kosten für den Dolmetscher gezahlt bekomme.
Über meinen bisherigen Beruf:
Ich bin ursprünglich Zahn-Technikerin.
Den Beruf der Zahn-Technikerin musste ich mit 16 Jahren wählen.
Für gehörlose Menschen gab es damals sehr wenig Auswahl an Berufen.
Und der Beruf hat auch nicht zu mir gepasst.
Ich habe mich weiter-entwickelt.
Ich will nicht mehr als Zahn-Technikerin arbeiten!
Hörende Menschen dürfen auch ihren Beruf wechseln!
Sie müssen nicht das ganze Leben in einem Beruf arbeiten.
Jetzt weiß ich, was ich machen will:
eine Ausbildung zur Erzieherin.
Eine Zweit-Ausbildung muss auch für Gehörlose erlaubt sein!
Nur der Gebärden-Sprach-Dolmetscher fehlt.
Kosten für den Gebärden-Sprach-Dolmetscher:
Es gibt zwei Wege Geld für einen Dolmetscher zu bekommen.
Entweder über den Kommunalen Sozial-Verband. Oder über das Sozial-Amt.
Der Kommunale Sozial-Verband übernimmt die Kosten für meinen Dolmetscher nicht.
Weil ich nicht in meinem Beruf aufsteigen will,
sondern den Beruf wechseln will.
Jetzt versuche ich es beim Sozial-Amt.
Ich muss vor Gericht streiten:
Bald ist die letzte Gerichts-Verhandlung.
Mal sehen, wie die Richter entscheiden.
Das Sozial-Amt wollte zwei Gutachten über mich haben:
vom Orthopäden und vom Psychiater.
Die Untersuchungen beim Orthopäden und beim Psychiater waren schwer.
Die Ärzte haben mich viele persönliche Dinge gefragt.
Und die Ärzte haben mich sehr genau untersucht.
Ich denke: Das Sozial-Amt wollte einen Grund finden.
Damit sie die Kosten nicht zahlen müssen.
Aber ich bin ja gesund und munter!
Eine Ausbildung in Rendsburg ist für mich zu weit weg
Es gibt in Rendsburg eine Ausbildung für Gehörlose.
Aber das ist sehr weit entfernt von Dresden.
Ich will in meinem Sozialraum bleiben, bei meiner Familie.
Deshalb will ich nicht die Ausbildung in Rendsburg machen.
Deswegen habe ich diesen Kampf begonnen.
Meine Sicht auf Inklusion in Sachsen:
Das ist ein sehr schwerer Kampf.
Aber ich möchte dieselben Chancen haben, wie Hörende.
Inklusion ist für mich:
Den Beruf lernen, den ich mir selbst aussuche.
Ich war auch bei Herrn Pöhler im Staats-Ministerium für Soziales.
Die Politiker haben meinen Fall geprüft.
Und sie haben gesagt:
Im Gesetz steht: eine Zweit-Ausbildung wird nicht finanziert.
Es wird immer nur geredet: Inklusion ist wichtig.
Aber ich frage mich: wo ist die Inklusion?
Ich sehe im Moment keine Inklusion im Bereich Ausbildung und Bildung.
Die Gebärden-Sprache wurde bereits 2002 anerkannt.
Aber es gibt immer noch sehr wenig Ausbildung auf Gebärden-Sprache.
Aber in anderen Bereichen läuft Inklusion gut.
Ich gehe zum Beispiel in eine Selbst-Hilfe-Gruppe.
Dafür bekomme ich Gebärden-Sprach-Dolmetscher finanziert.
Das läuft super.
Außerdem gibt es mittlerweile einige Kultur-Angebote für Gehörlose.
Das Deutsche Hygiene Museum hat sehr viele Angebote für Gehörlose.
Auch im Theater gibt es Dolmetscher.
In der Oper gibt es Musik-Dolmetscher.
Und im Kino gibt es Unter-Titel.
Zum Beispiel beim Film-Festival in Dresden.
Früher war ich im Bereich Kultur wirklich eingeschränkt.
Aber jetzt kann ich viel Neues erleben.
Das ist schon gute Inklusion.